Bauer Josef Murer aus Baar sah der Kirschernte dieses Jahr lange freudig entgegen. «Meine 50 Bäume waren voll mit Kirschen», sagt er. «Doch dann kam der Schädling.» Der Schädling, das ist die Kirschessigfliege. Sie kommt, wenn die Kirschen reif sind, sticht in die Haut und legt Eier in die Frucht. «Die Larven beginnen dann, die Frucht von innen aufzufressen – dadurch wird sie ungeniessbar», erklärt Murer. Fast ein Drittel seiner Kirschen ist so unbrauchbar geworden.
Essigfliege vermehrt sich schnell
Das Fiese an diesem Schädling, der vor etwa 15 Jahren in die Schweiz kam: «Es geht blitzschnell. Innert kurzer Zeit können viele Bäume komplett befallen sein», so Murer. «Dieses hohe Tempo ist darauf zurückzuführen, dass sich die Fliege sehr schnell vermehrt. Die Zeit vom Ei zur Made und zur Fliege ist sehr kurz.» So seien jeweils gleich mehrere Generationen gleichzeitig an einem Baum.
Engmaschige Netze sind bei Hochstammbäumen, die bis zu 20 Meter hoch werden, fast nicht anzubringen.
Betroffen sind insbesondere Hochstammbäume. Diese tragen meist Kirschen, die als Brennkirschen dienen, für Schnaps oder etwa die Zuger Kirschtorte. Aurelia Jud bildet am Berufsbildungszentrum im luzernischen Hohenrain angehende Landwirte aus. Im Mai und Juni hätten ausgesprochen gute Bedingungen für die Kirschessigfliege geherrscht, sagt sie: «Die Fliege vermehrt sich schnell bei feuchtwarmem Wetter.»
Eines der grössten Probleme sei, dass man Hochstammanlagen praktisch nicht schützen könne. «Der beste Schutz gegen die Kirschessigfliege sind engmaschige Netze. Doch diese lassen sich bei Hochstammbäumen, die bis zu 20 Meter hoch werden, kaum lückenlos anbringen.»
Auch der Einsatz von chemischen Mitteln sei schwierig. Zwar gebe es zugelassene Pflanzenschutzmittel gegen die Essigfliege, sagt sie. Aber: «Die Kirschessigfliege kommt erst, wenn die Kirschen reif sind. Die Bauern können nicht einen Tag vor der Ernte die Kirschen spritzen.»
Hoffnung auf «natürlichen Feind»
Gemäss Aurelia Jud haben Ernteausfälle wegen der Kirschessigfliege in den letzten Jahre zugenommen. Sie rechnet damit, dass der Schädling ein ständiger Begleiter in den nächsten Jahren bleiben wird. Sie hofft aber, «dass sich ein natürlicher Gegner der Essigfliege entwickelt, der diese regulieren kann.» Eine Hoffnung, die man beim schweizerischen Obstverband teilt. Für Mediensprecherin Beatrice Rüttimann steht dabei die Schlupfwespe im Vordergrund.
Gemäss Rüttimann ist der Druck auf die Landwirte gross: «Die Kirschessigfliege wütet und verursacht Schäden. Diese sind in diesem Jahr aufgrund der Witterung und des Nahrungsangebotes besonders hoch.»
Genaue Zahlen für die ganze Schweiz hat der Verband noch nicht, da in der Ostschweiz noch immer gepflückt wird. Doch die Ernte sei einiges tiefer als geschätzt: «Wir gehen davon aus, dass wir bei den Tafelkirschen die geschätzten 2500 Tonnen nicht erreichen werden. Und auch bei den Brennkirschen – wo wir vor der Ernte 3000 Tonnen geschätzt haben – werden wir die Zahl nicht erreichen.»
Lokal sei es sogar zu Totalausfällen gekommen. Für Landwirt Josef Murer in Baar wäre es nun wichtig, dass bei der Schädlingsbekämpfung rasch Fortschritte erzielt werden. Ein Ernteausfall sei für engagierte Bauern immer auch emotional schwierig: «Die Freude an der erhofften schönen Ernte ging verloren. Es sah super aus, und dann ist nichts. Das zu erleben, tut weh.»