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Klassiker ob Kandersteg Gasterntalstrasse: Einbahn-Abenteuer seit 100 Jahren

Die Strasse im Berner Oberland war einst ein Arbeitslosenprojekt. Noch immer ist die Fahrt ein Erlebnis.

Ueli Teuscher kennt sie wie seine Westentasche: die Strasse ins Gasterntal bei Kandersteg im Berner Oberland. Rund 3000 Mal hat der Busfahrer schon Ausflüglerinnen und Wanderer ins Gasterntal chauffiert.

Eine stienrne Brücke mit Bogen über einem Fluss.
Legende: Den Abschluss der Gasterntalstrasse bildet die 28 Meter lange Chlusebrücke. SRF/Samuel Burri

Die Fahrt sei jedes Mal eine Herausforderung. Die Schlucht ist eng, der Platz oft sehr knapp: «Manchmal hat man nur zehn Zentimeter auf der Seite des Busses.»

Von Kandersteg aus ist der Eingang ins Gasterntal kaum zu erkennen. Der Weg führt durch eine Klus. Hier hat die Kander ein enges Tal in den Fels gegraben. «Die Strasse wurde damals aus dem Fels herausgesprengt», erklärt Teuscher. Die Kiesstrasse führt durch zwei Tunnel, entlang von Galerien und über Brücken.

Brenzlige Situationen in der Schlucht

Am Eingang zur Schlucht weist ein Schild in vier Sprachen auf die Mautgebühr hin: 15 Franken kostet die Durchfahrt. Wichtig ist auch die Einhaltung der Zeitfenster: Nur 20 Minuten pro Stunde ist die Fahrt in eine Richtung jeweils erlaubt.

Gasterntal Fahrt
Legende: Kreuzen? Unmöglich! Der Fahrer muss manchmal auch zurück manövrieren. SRF/Samuel Burri

Der Einbahnverkehr klappt meistens gut, doch immer wieder kommt es zu brenzligen Situationen. «Es gibt leider Leute, die zur falschen Zeit die Strasse nutzen – und dann auch nicht rückwärtsfahren können», erzählt der Buschauffeur. Dann muss er schon mal aussteigen und das Auto des Falschfahrers bis zum nächsten Ausstellplatz zurück manövrieren.

Strassenbau gegen Arbeitslosigkeit

Vor 100 Jahren wurde die Gasterntalstrasse gebaut. Der Stundenlohn für die Arbeiter betrug gerade mal 90 Rappen – auch 1924 war das nicht viel. Doch der Strassenbau schaffte Arbeit in der schwierigen Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Rund 120'000 Franken kostete das Bauwerk. Der Bund und der Kanton Bern halfen bei der Finanzierung.

Das Projekt wurde vom lokalen Politiker Arnold Gottlieb Bühler mitinitiiert. Die Strasse gehört der Bäuert, der Vereinigung von Landeigentümern im Gasterntal.

Ampeln statt Schilder?

Hansueli Rauber, Präsident der Eigentümervereinigung, ist fasziniert von der Bauweise: «Jeder Stein wurde von Hand herausgeschnitten und etwa bei der Brücke eingesetzt.» Bei Sprengungen achteten die Arbeiter darauf, dass sie jeden nutzbaren Stein auf der Strasse deponierten.

Die Strasse sieht noch heute so aus wie vor 100 Jahren. Sie ist nicht asphaltiert und bietet ein einzigartiges Erlebnis. «Es ist ein unentdecktes Highlight», schwärmt Rauber. «Die Klus ist etwas ganz Exklusives.» Die Strasse zieht natürlich auch Touristen an – und diese halten sich dann gelegentlich nicht an das Einbahn-Regime.

Gasterntal
Legende: Jeder Zentimeter zählt: Die historische Gasterntalstrasse ist extrem eng. SRF/Samuel Burri

Könnten statt den Schildern am Strassenrand nicht Ampeln zur Verkehrsführung helfen? «Das haben wir auch schon überlegt», erklärt Rauber. Doch leider fehle der Strom, und auch mit einer Funkverbindung würde es nicht klappen durch die enge Schlucht. Vielleicht aber kommt irgendwann eine Zeitschaltuhr, um den Verkehr besser zu regeln.

Naturbelassenes Gasterntal

Hinter der Schlucht weitet sich das Gasterntal. Alpwiesen, Wald und Spuren von Murgängen prägen die naturbelassene Landschaft. Eine Holzbrücke wurde erst kürzlich erneuert, «ein Hochwasser hat sie weggeputzt», erklärt Chauffeur Ueli Teuscher.

Gasterntal
Legende: Rund 3000 Mal hat Ueli Teuscher schon Ausflüglerinnen und Wanderer ins Gasterntal chauffiert. SRF/Samuel Burri

Trotz aller Naturgewalten ist Teuscher noch nie etwas Ernsthaftes passiert. Nur ein paar Kratzer vom Felsen hat sein Bus schon abbekommen. Im Tal setzt der Chauffeur die Wanderer aus und wendet sofort. Auch auf dem Rückweg hat er sich an das vorgegebene Zeitfenster zu halten, damit er ohne Gegenverkehr wieder nach Kandersteg kommt.

Regionaljournal Bern, Freiburg, Wallis, 06.08.2025, 17:30 Uhr; mata; noes

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