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Klimaschutz in der Schweiz «Wer hofft, dass der Bielersee zufriert, wird enttäuscht»

Von der Stilllegung des Atomkraftwerks Mühleberg wird die Aare substantiell profitieren. Das zeigt eine Studie der Universität Lausanne. Was das konkret bedeutet, erklärt Hydrologe Andri Bryner im Gespräch.

2019 geht das Atomkraftwerk Mühleberg vom Netz. Dann wird das Wasser dank der fehlenden Reaktorwärme in der Aare 0,3 Grad kühler sein – jedenfalls flussabwärts vom stillgelegten Kernkraftwerk aus. Das haben Forscher der ETH Lausanne herausgefunden.

Was bedeutet das für die Tierwelt, die Schweizer Gewässer und den Klimaschutz? Die Frage geht an Andri Bryner. Er ist Hydrologe und arbeitet bei der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz.

SRF News: Was bedeutet die Abkühlung des Wassers für die Aare und den Gewässerschutz?

Andri Bryner: Das ist eine gute Nachricht. Der Gewässerschutz strebt in der Schweiz einen möglichst naturnahen Zustand an – und wenn wir diese kernkraftbasierte Erwärmung zurücknehmen, bewegen wir uns in die richtige Richtung.

Herrschen denn ab 2019 wieder gleiche Bedingungen wie vor 1972? Damals wurde das Kernkraftwerk Mühleberg gebaut.

Aus der Studie der ETH Lausanne geht jedenfalls hervor, dass die Grössenordnung in etwa gleich ist wie die Klimaerwärmung.

Was bedeutet das?

In der Zeit, in welcher Mühleberg in Betrieb ist, hat auch die Klimaerwärmung zu wärmerem Wasser geführt. Wenn wir mit der Erwärmung des Wassers durch Mühleberg nicht mehr umgehen müssen, gleicht sich die Lage aus.

Welche Tiere profitieren besonders von der bevorstehenden Abkühlung

der Aare?

Die Forellen. Sie sind derzeit durch das warme Wasser häufig gestresst. Zudem werden sie von Fischen verdrängt, denen das warme Wasser eher zusagt. Ausserdem wurden die Forellen häufiger von Krankheiten und Parasiten befallen, weil sie sich an das warme Wasser nicht gewohnt sind.

Die Forellen sind derzeit durch das warme Wasser häufig gestresst.

Besonders drastisch ist der Temperaturabfall im Winter. Dort sprechen die Verfasser der Studie von Unterschieden von bis zu vier Grad. Hat die Abkühlung der Aare damit auch einen grösseren Effekt auf die Umgebung?

Wer jetzt hofft, dass im Winter der Bielersee zufriert, wird enttäuscht. Derzeit ist die Erwärmung relativ gesehen zum natürlichen Zustand im Winter am Grössten – und dann ist die Rücknahme dieser Erwärmung natürlich mit dem grössten Abnehmungseffekt verbunden.

Verglichen mit den saisonalen Schwankungen und den jährlichen Schwankungen bewegen wir uns aber nach wie vor in einem Bereich, der nicht zu grossen Veränderungen führt – zumal die Studie auch klar sagt, dass diese vier Grad ein maximaler Wert sind und dieser nur an einzelnen lokalen Stellen erreicht wird.

Alle Klimaprognosen deuten darauf hin, dass die Klimaerwärmung weitergehen wird.

Wie wird sich die Aare Ihrer Einschätzung nach ohne den Einfluss des Atomkraftwerks Mühleberg in den kommenden 20 Jahren verändern?

Alle Klimaprognosen deuten darauf hin, dass die Klimaerwärmung weitergehen wird. Somit bedeutet die wegfallende Wärme vom Atomkraftwerk Mühleberg für die Umwelt und wärmeempfindliche Tierarten eine gewisse Entspannung.

Das Gespräch führte Hanna Jordi.

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