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Knatsch am Zürcher Unispital Professoren fürchten um Forschungsstandort

Die fragwürdige Personalpolitik am Unispital Zürich sorgt bei hochrangigen Wissenschaftlern für Unbehagen.

Alle namhaften medizinischen Fakultäten der Welt schreiben das Doppelmandat Professur und Klinikdirektion öffentlich aus. Nur so ist garantiert, dass alle fähigen Personen sich bewerben können.

Zürich aber foutiert sich offensichtlich um diese Konventionen: Die diese Woche in «Schweiz aktuell» thematisierte Direktberufung in der Bauchchirurgie ist kein Einzelfall. Bereits die Ausschreibung in der Herzchirurgie wurde ohne Angabe von Gründen gestoppt und die eigens einberufene Berufungskommission vor vollendete Tatsachen gestellt.

Maulkörbe bei Strafandrohung

Damit wurden über 20 hochkarätige Kandidierende vor den Kopf gestossen, die ihr Bewerbungsdossier längst eingereicht hatten. In beiden Fällen wurden die amtierenden leitenden Ärzte und Professoren Knall auf Fall vor die Tür gesetzt: Thierry Carell und Pierre-Alain Clavien mussten die Klinik verlassen und bereits vereinbarte Operationen absagen.

Die bei Patientinnen und Patienten beliebten Chirurgen konnten sich gemäss Belegschaft kaum verabschieden. Und beide dürfen offenbar nicht über die Umstände sprechen und sind für SRF nicht erreichbar.

Dies hat nun die drei namhaften emeritierten Professoren Hengartner, Gerber und Zinkernagel dazu gebracht, auf Anfrage Stellung zu nehmen. 

Wird Unispital zum Mittelmass gemanagt?

Offenbar genügt der Leistungsausweis der beiden direktberufenen Klinikleiter als Forscher den internationalen Standards nicht – darüber herrscht Einigkeit in der Fachwelt. Es sei verheerend, wenn nicht die besten Bewerbenden berufen würden, meint der langjährige Chef der Universitätsklinik Balgrist, Christian Gerber: «Die Besten ziehen die Besten an und die Zweitbesten halt nur die Drittbesten.»  

So wie Gerber befürchten auch der ehemalige ETH-Departementsvorsteher Hans Hengartner und Nobelpreisträger Rolf Zinkernagel einen massiven Rufverlust für den Forschungsstandort. Namhafte europäische Top-Chirurgen zeigen sich schockiert über die Zürcher Direktberufungen.

Weder Universität noch Universitätsspital nehmen zum laufenden Verfahren Stellung. Gegenüber SRF News erklären sie aber, dass man jetzt Manager mit Führungserfahrung und betriebswirtschaftlichem Denken brauche.

Regierung und Kantonsrat sind gefordert

Eine weitere Sorge der drei Wissenschaftsgrössen gilt der Patientenversorgung: Nach mehreren Chefwechseln seien am Unispital wiederholt hochqualifizierte Ärzte entmachtet worden und andere müssten bald damit rechnen. Ihr Fazit: So würde medizinische Qualität sukzessive einer kurzfristigen Wirtschaftlichkeit geopfert.

Das Problem ist systemischer Art.
Autor: Hans Hengartner Departementsvorsteher ETH



Von der Gesundheitsdirektion ist zu den Vorwürfen nichts zu hören und die kantonsrätliche Oberaufsicht ärgert sich darüber, dass die Direktberufungen öffentlich bekannt wurden. Christian Gerber mahnt: «Ein Kantonsspital muss die beste Medizin der Gegenwart pflegen, ein Universitätsspital aber muss die beste Medizin der Zukunft entwickeln.» Rolf Zinkernagel ergänzt: «Eine Universität, die neben der Lehre die Forschung nicht fördert, erfüllt ihren Zweck nicht.» Und Hans Hengartner meint: «Das Problem ist systemischer Art.»

Änderungshinweis

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Der ursprüngliche Titel des Artikels lautete «Professoren fürchten um Patientensicherheit». Diesen haben wir angepasst. In der Verkürzung hätte er missverstanden werden können.

Schweiz Aktuell, 20.2.23, 19 Uhr

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