Zum Inhalt springen

Körperspende für Studenten «Angehende Ärzte begegnen zum ersten Mal dem Tod»

Können Sie sich vorstellen, Ihren Körper nach dem Tod der Wissenschaft zu spenden? Beim Anatomischen Institut der Universität Basel erklären sich jährlich über Hundert Menschen dazu bereit. So können Medizinstudenten und angehende Fachärztinnen am menschlichen Körper ihr Handwerk lernen. Dabei spiele die Würde eine grosse Rolle, sagt die Anatomin und Wissenschaftlerin Magdalena Müller-Gerbl.

Magdalena Müller-Gerbl

Leiterin der Abteilung Makroanatomie am Basler Institut für Anatomie

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

SRF: Weshalb ist es für junge Medizinstudenten und Fachärztinnen wichtig, an einem menschlichen Körper zu üben?

Magdalena Müller-Gerbl: Es gibt keine andere Lernform, die einen angehenden Arzt oder eine Ärztin besser auf den Berufsalltag vorbereiten würde. Während die Medizinstudenten einen Toten sezieren, können sie seinen Körper mit allen Sinnen wahrnehmen.

Die meisten Studierenden sind so erstmals mit einem Toten konfrontiert.

Sie bekommen ein Gefühl für die verschiedenen Gewebe und die Dreidimensionalität des Körpers. Das sind wichtige Grundlagen für ihre spätere Tätigkeit. Zudem sind sie erstmals mit einem Toten konfrontiert und lernen einen respektvollen Umgang mit ihm. Wir hoffen, dass sie auch bei späteren Patienten so einfühlsam sind.

Obduktionstisch mit Messer.
Legende: Mit diesen Geräten üben Studierende ihr Handwerk. SRF

Computermodelle alleine reichen also nicht aus, um gute Ärzte auszubilden?

Wir arbeiten parallel zu den Präparationen am Körper auch mit virtueller Anatomie. Doch Computermodelle ergeben immer nur ein zweidimensionales Bild. Virtuell lernen die Studierenden nur einen Idealzustand kennen. Die Körper, welche gespendet werden, sind aber in unterschiedlichen Krankheits- und Gesundheitszuständen.

Für viele Menschen ist es eine befremdliche Vorstellung, ihren Körper nach dem Tod der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen. Wie wird die Würde garantiert?

Wir organisieren im Vorfeld Veranstaltungen für die Studierenden, um sie im Umgang mit den Toten zu schulen. Die Würde spielt dabei eine zentrale Rolle. Wir machen den Studenten klar, wie grosszügig die Spender sind: Zu Lebzeiten stellen sie ihren Körper zur Verfügung, damit die jungen Studenten daran lernen können. Das ist ein Geschenk!

Würden Sie Ihren Körper nach Ihrem Tod freigeben?

Damit hätte ich keine Probleme. Ich würde allerdings darauf achten, dass mein Körper nicht im Anatomischen Institut in Basel untersucht würde. Doch es gibt überraschend viele Ärzte, die uns ihren Körper nach dem Tod zur Verfügung stellen. Diese Menschen möchten meist, dass der Körper über den Tod hinaus nützlich ist. Vielfach möchten sie der Medizin etwas zurückgeben.

Andere argumentieren mit den Kosten, die vom Institut übernommen werden.

Gewisse Spender möchten ihre Angehörige finanziell nicht belasten. Das Anatomische Institut in Basel übernimmt die Begräbniskosten und je nachdem auch die Kosten für die Grabpflege. Ansonsten zahlen wir den Körperspendern nichts.

Gerade die Angehörigen spielen bei der Körperspende eine grosse Rolle. Was bereitet ihnen am meisten Schwierigkeiten?

Für Angehörige ist es manchmal schwierig, dass ein Begräbnis nicht zeitnah nach dem Tod eines Angehörigen stattfindet. Dies ist normalerweise der erste Schritt der Trauerarbeit. Eine Leiche bleibt allerdings für etwa zwei Jahre im Anatomischen Institut, da wir den Körper über längere Zeit im Unterricht sezieren. Angehörige müssen deshalb so lange warten, bis wir den Körper freigeben. Es gibt Angehörige, die sehr darunter leiden.

Wie gehen sie damit um?

Die meisten akzeptieren den Willen des Verstorbenen. Für uns ist dieser verbindlich. Im Einzelfall müssen wir aber abwägen: Ist der Leidensdruck für Angehörige zu gross? Generell versuchen wir, ihnen verständlich zu machen, weshalb sich jemand für eine Körperspende entschieden hat. Meist sind die Angehörigen aber ohnehin eingeweiht, denn wir weisen die Körperspender vor Abgabe ihres Testaments dezidiert darauf hin.

Das Gespräch führte Luca Fuchs.

Meistgelesene Artikel