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KOF-Chef zum Energiemarkt «Wenn es Verlierer gibt, dann sind es die kleinen Firmen»

Zwei Monate vor der Abstimmung über die Energiestrategie 2050 zeigt eine Umfrage von SRF und der Konjunkturforschungsstelle KOF: Ökonomen wollen mehr Staatseingriffe in den Energiemarkt. KOF-Chef Jan-Egbert Sturm über die Diskrepanz in der Wirtschaft und die Gewinner und Verlierer von Eingriffen.

Jan-Egbert Sturm

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Legende: Keystone

Der 47jährige ist Wirtschaftsprofessor und Direktor der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich.

SRF: Herr Sturm, über 60 Prozent der befragten Ökonomen fordern stärkere Eingriffe in den Energiemarkt. Hat Sie das überrascht?

Jan-Egbert Sturm: Ich habe tatsächlich ein etwas ausgewogeneres Bild erwartet. Wir wissen, dass im Energiesektor der Markt nicht ganz so funktioniert, wie man es gerne hätte. Es gibt oft Monopole und unterschiedliche Interessensvertreter. Daher ist ein gewisses Eingreifen oder zumindest eine gewisse Form der Regulierung seitens des Staates so oder so notwendig.

Ökonomen wollen sonst eher weniger Staat und mehr Markt. Welche Staatseingriffe sind denn nicht problematisch?

Die Ökonomen dieser Umfrage sind eindeutig der Ansicht, dass wenn man schon eingreift, dann am liebsten über die steuerliche Seite. Dass man also weniger über Subventionen oder Regulierungen arbeitet.

Was bedeuten solche steuerlichen Anreize konkret?

Umfrage Energiestrategie 2050

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Zum zweiten Mal hat die SRF-Wirtschaftsredaktion zusammen mit der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich eine Umfrage unter Ökonomen durchgeführt. Dieses Mal stand die Schweizer Energiepolitik im Fokus. Rund 100 der gut 400 Ökonomen aus Forschung und Lehre in der Schweiz haben die Fragen beantwortet. Mehr zur Studie finden Sie hier.

Beispielsweise würde beim Energieverbrauch eine zusätzliche Steuer generiert. Die würde den Anreiz, Energie zu konsumieren, reduzieren. Oder umgekehrt: Wenn Firmen mehr Energie produzieren, könnten sie steuerlich entlastet werden.

58 Prozent der befragten Ökonomen sagten, es sei egal oder unwichtig, ob die Energie in der Schweiz produziert oder ob sie aus dem Ausland importiert würde. Man hört aber immer wieder das Argument, die Schweiz müsse sich selber versorgen können.

Wir sind sowieso eine sehr offene Wirtschaft. Es ist illusorisch zu glauben, man könne die Grenzen einfach schliessen und trotzdem vernünftig weiterleben. Das ist unrealistisch. Wenn Sie schauen, was wir täglich im Supermarkt einkaufen, dann sehen Sie, dass sehr viele Produkte nicht aus der Schweiz kommen. Energie ist eben auch ein solches Produkt. Es wird teilweise in der Schweiz produziert, aber auch teilweise aus dem Ausland importiert.

Die Vorlage zum neuen Energiegesetz ist sehr umstritten und spaltet die Wirtschafsverbände. Woher kommt diese Diskrepanz?

Bei jeder Änderung in der Politik gibt es Gewinner und Verlierer. Es ist klar, dass die Verlierer auf eine und die Gewinner auf die andere Art und Weise argumentieren. Wir als Ökonomen versuchen, den gesamtwirtschaftlichen Aspekt in den Vordergrund zu rücken. Und da sind die Meinungen relativ deutlich.

Wer wären die Verlierer bei dieser Vorlage?

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Wir sehen zum Beispiel, dass die Konsequenzen von staatlichen Massnahmen die Wettbewerbsfähigkeit grösserer Firmen höchstwahrscheinlich nicht wirklich tangieren. Wenn es Verlierer gibt, dann wären das vermutlich eher die kleineren Firmen. Dass gewisse Wirtschaftsverbände, die diese kleinen Firmen repräsentieren, versuchen, dagegen zu halten, ist deshalb verständlich.

Das Interview führte Andreas Kohli.

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