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Kohäsionsmilliarde an EU Ein günstiger Zeitpunkt für Verhandlungen

Eben noch hat der Bundesrat der Europäischen Union gedroht: Wenn ihr unsere Börsen nicht gleichwertig behandelt, dann müssen wir uns das nochmals überlegen mit der Kohäsionsmilliarde. Erst drei Monate sind es her, seit Bern versucht hat, Brüssel unter Druck zu setzen. Davon ist auf einmal keine Rede mehr. Die Aufregung ist weg. Dafür gibt es vor allem zwei Gründe:

Entspannung mit der EU

In Sicht ist endlich eine Normalisierung der Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz. Die kommenden Monate werden entscheidend sein. Ein Rahmenabkommen für die wichtigsten bilateralen Verträge ist näher gerückt. Das Kernstück ist ein Schiedsgericht, das Streitfälle schlichten soll. Die Entspannung würde durch eine Blockade bei der Kohäsionsmilliarde aufs Spiel gesetzt. Das Ja des Bundesrats hingegen ist ein Zeichen des guten Willens, den bilateralen Weg weiterzuentwickeln. Bern möchte mit Brüssel unter anderem ein Stromabkommen abschliessen.

Ein politisches Pfand hat die Regierung mit der Zustimmung zur Kohäsionsmilliarde nicht aus der Hand gegeben. Denn die 1,3 Milliarden Franken, oder 130 Millionen pro Jahr über zehn Jahre, für die Berufsbildung im Osten der EU und für die Bewältigung von Migrationsströmen in der gesamten EU, müssen zuerst noch vom Nationalrat und vom Ständerat bewilligt werden. Und endgültig entscheiden wird wohl das Volk, wie schon beim ersten Solidaritätsbeitrag. 2006 sagten 53,4 Prozent der Stimmenden Ja dazu.

Noch vor dem Wahljahr 2019

Neben der guten Ausgangslage für bessere Beziehungen mit der EU gibt es auch einen innenpolitischen Grund für das Ja des Bundesrats zur Kohäsionsmilliarde. Er will die Verhandlungen mit Brüssel über ein Rahmenabkommen in den wichtigsten Punkten noch in diesem Jahr über die Bühne bringen. Denn noch sind die politischen Voraussetzungen günstig. Das wird sich im nächsten Jahr ändern.

Im Wahljahr 2019 würden das Rahmenabkommen und die Kohäsionsmilliarde unweigerlich zum Spielball der Parteien. Für die einen wären die 1,3 Milliarden ein fairer Preis für den Zugang zum grossen europäischen Markt, für die anderen ein unnötiges Geschenk. Deshalb will der Bundesrat jetzt vorwärtsmachen, damit die Dinge klar sind, wenn in der Schweiz der Wahlkampf beginnt.

Leere Drohung?

Wozu also die Aufregung zum Jahresende 2017, als Bundespräsidentin Leuthard verärgert bekanntgab, man werde die Kohäsionsmilliarde neu beurteilen? Leuthards Empörung mag übertrieben gewirkt haben. Letztlich war der Auftritt wohl ein Zeichen an die Schweizer Bevölkerung: Der Bundesrat erwartet von der EU, dass sie ihren Beitrag leistet zur Entspannung der gegenseitigen Beziehungen.

Fritz Reimann

Bundeshauskorrespondent, SRF

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Fritz Reimann ist Bundeshauskorrespondent von SRF in Bern. Bis 2006 war er USA-Korrespondent in Washington vom Schweizer Fernsehen.

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