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Kokain-Konsum in der Schweiz «Das Beste gegen den Schwarzmarkt ist ein kontrollierter Markt»

An der «Rundschau»-Theke diskutiert Sandro Brotz mit Andrea Caroni, FDP-Ständerat aus Appenzell Ausserrhoden. Er vertritt die Haltung, man müsse den Kokain-Markt in der Schweiz liberalisieren.

Rundschau: Sind Sie der Meinung, man könne vernünftig mit Kokain umgehen?

Andrea Caroni: Es gibt sehr viele Leute, die das sehr kontrolliert konsumieren. Dann gibt es aber auch eine Risikogruppe. 80 bis 90 Prozent der Kokain-Konsumenten können mit dem Stoff umgehen und man muss schauen, dass diese nicht zur Risikogruppe werden. Aber dafür sollte man Kokain legalisieren und das Ganze reglementieren.

Drogenexperten sagen aber auch, Kokain sei viel toxischer als Heroin und viel gesundheitsgefährdender.

Zweifellos hat Kokain das Potenzial, um sehr gefährlich zu sein für Körper und Geist. Das im Unterschied zum Heroin – damit kann niemand einen kontrollieren Umgang haben, weil es einfach süchtig macht. Bei Kokain gibt es Leute, die es im Griff haben, wie auch beim Alkohol, den die meisten im Griff haben, aber trotzdem sind 250'000 Menschen alkoholabhängig. Mit diesen zwei Gruppen muss man verschieden umgehen.

Wenn Sie einmal Kokain nehmen, dann wollen Sie nicht mehr aufhören, erzählen die Süchtigen. Sie giessen Öl ins Feuer mit einer Liberalisierung.

Das Feuer lodert sowieso, auch wenn wir Repression haben, aber wir müssen das besser kontrollieren. Heute gibt es giftige Stoffe auf dem Schwarzmarkt, gestreckte Stoffe, und das ist so gefährlich. Sie sind einem Dealer ausgeliefert und haben keine Ahnung, was Sie zu sich nehmen. Beim Legalisieren und dann kontrollieren – durch den Staat – könnte man den Menschen viel mehr helfen. Und gleichzeitig würde man noch den Schwarzmarkt trocken legen mit seinen weltweiten Auswirkungen von der Drogenmafia bis hin zu Kartellen und Terrorgruppen.

Aber entscheidend ist doch, dass sich Schwerstsüchtige von der Drogenszene distanzieren. Dieses Problem lösen Sie doch nicht, wenn Sie den Stoff abgeben.

Es ist richtig, man muss diese Süchtigen aus der Szene herausnehmen. Aber diese Drogenszene heute bewegt sich ja im Untergrund. Das sind kriminelle Banden, die das Geschäft beherrschen. Und die Konsumenten sind den Dealern ausgeliefert oder stecken in der Beschaffungskriminalität. Diese Leute benötigen Zugang zu Beratung und Therapiehilfe.

Wenn sie jemandem immer mit dem Hammer des Strafrechts drohen hat er fast keine Möglichkeit ans Licht zu kommen.

Vier Fünftel der Kokser sind Gelegenheitskonsumenten. Sie machen nur 20 Prozent des Gesamtmarktes aus. Sollen nun jene, die Kokain als Party-Droge konsumieren, ihren Stoff auch vom Staat bekommen?

Es wäre gescheit, dass sie die Drogen, die sowieso konsumiert werden, auf eine kontrollierte Art bekommen. Wie beim Alkohol, bei dem man sieht, wie viel Prozent er enthält. Diese strengen Regeln die man kennt bei Alkohol und Tabak oder auch bei Medikamenten haben wir beim Kokain gerade nicht, weil alles im Schwarzmarkt stattfindet.

Wer genau nun Kokain abgeben soll, dafür müsste man ein Modell finden. Man könnte etwa lizenzierte Abgabestellen schaffen wie bei Medikamenten, die sie nur in der Apotheke bekommen. Oder zum Alkoholausschank benötigen sie eine Schanklizenz. Und was man wahrscheinlich auch machen muss, dass sich Konsumenten registrieren lassen müsse, wie im Spielcasino, und sieht dann, ob sie ihren Konsum im Griff haben oder nicht.

Das beste Mittel gegen den Schwarzmarkt ist ein kontrollierter Markt.

Aber die Realität wird doch sein, dass jemand den Stoff bezieht, aber sich für die nächste Linie Kokain auf dem Schwarzmarkt eindecken wird.

Das beste Mittel gegen den Schwarzmarkt ist ein kontrollierter Markt mit Preisen leicht über dem Schwarzmarkt. Wer am meisten verlieren würden, bei einer kontrollierten Legalisierung wäre die Mafia.

Andrea Caroni.
Legende: «Das beste Mittel gegen den Schwarzmarkt ist ein kontrollierter Markt mit Preisen leicht über dem Schwarzmarkt», sagt Caroni. SRF

Polizisten, mit denen wir gesprochen haben, sagen: Das ist eine Scheinlösung – es würde den Schwarzmarkt nicht austrocknen.

Die heutige Lösung ist eine Scheinlösung! Und wir machen einen auf Prohibition und Repression. Es ist genau 100 Jahre her, als in den USA gesagt wurde «Alkohol ist des Teufels» das verbieten wir. Heute lachen wir die Leute von damals aus, weil sie dachten, mit Polizei und Militär den problematischen Konsum von Alkohol verbieten zu können. Und wir müssten eigentlich zum Schluss kommen, dass wir nicht wahnsinnig viel gelernt haben. Wir haben immer noch Hunderttausende von Toten durch Drogenkriege. Und die konsumieren alle noch gleich viel.

Für die Legalisierung von Kokain wäre wohl kaum eine Mehrheit zu gewinnen. Müsste nicht zuerst die Legalisierung von Cannabis erfolgen?

In der politischen Realität haben sie völlig recht. Auch das Ausland ist noch nicht soweit. Portugal hat inzwischen den Konsum legalisiert. Aber die Welt ist noch im repressiven Drogenkrieg der 1970er Jahre stehengeblieben. Der lange Weg führt wahrscheinlich über Legalisierung von Cannabis.

Müssen wir uns vom Ziel einer suchtfreien Gesellschaft definitiv verabschieden?

Die suchtfreie Gesellschaft ist eine Illusion und schon immer gewesen. Ich hätte gerne eine Schwarzmarkt-freie und Drogenkartell-freie Gesellschaft und wo diejenigen, die den Stoff sowieso konsumieren, sowenig wie möglich gesundheitlich geschädigt werden – indem sie wissen, was sie konsumieren.

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