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Baselbieter Landrat will Aufarbeitung kolonialer Vergangenheit
Aus Regionaljournal Basel Baselland vom 26.01.2023. Bild: Online Archive of California / Stephen William Shaw (Maler)
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Koloniale Vergangenheit Baselbieter Politik hinterfragt die Heldenfigur General Sutter

Im Kanton Basel-Landschaft sollen Forscher die koloniale Vergangenheit grosser Persönlichkeiten unter die Lupe nehmen.

Mit dem kalifornischen Goldrausch im 19. Jahrhundert ist auch ein Baselbieter Name verbunden: Johann August Sutter, berühmt als «General Sutter».

Der Kaufmann wanderte in die Vereinigten Staaten aus und gründete als Grossgrundbesitzer eine Privatkolonie namens «Neu-Helvetien». Auf seinem Boden wurde 1848 Gold gefunden, was den kalifornischen Goldrausch auslöste.

Der Held war auch ein Sklavenhalter

In den vergangenen Jahren verblasste sein Glanz, als Sutters Rolle und Taten neu betrachtet wurden: Er hatte in seiner neuen Heimat Männer, Frauen und Kinder versklavt und mit seiner Privatarmee Indigene gefangen und verkauft.

2020 wurde im Zuge der «Black Lives Matter»-Diskussion eine Sutter-Statue in der kalifornischen Hauptstadt Sacramento auf Druck der indigenen Bevölkerung vom Sockel genommen. An dieses Denkmal hatte der Kanton Baselland 1987 noch voller Stolz einen Beitrag von 50'000 Franken geleistet.

Tiefe Risse im Heldendenkmal

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Blaise Cendrars Abenteuerroman von 1925 «Gold. Die fabelhafte Geschichte des Generals Johann August Sutter» prägte lange das heldenhafte Bild des erfolgreichen Auswanderers. Die Realität weicht jedoch deutlich davon ab: Sutter war bankrott und vor einer Gefängnisstrafe aus der Schweiz geflüchtet – ohne Frau und Kinder, die deswegen im Armenhaus landeten. In den USA flüchtete er erneut vor Gläubigern, sein neues Landgut lief schlecht, er selber verfiel dem Alkohol.

Die Nazis nutzen die glorifizierte Biografie Sutters – der im Südbadischen Kandern unweit von Basel geboren worden war – für ihre Propaganda mit einem Film von Louis Trenker von 1936.

Die Luzerner Historikerin Rachel Huber hat vor drei Jahren eine wissenschaftliche Untersuchung zu Sutter publiziert. Nachzulesen sind ihre Erkenntnisse unter anderem im Blog des Schweizerischen Nationalmuseums.

Jetzt schwappt die breiter und intensiver gewordene Diskussion um indigene Bevölkerungen und koloniale Verantwortung auch ins Baselbiet über. In ihrer Antwort auf ein Postulat eines SP-Kantonsparlamentariers räumte die Regierung ein, dass das Verhältnis des Kantons Basel-Landschaft respektive der Landschaft Basel zu Kolonialismus und Sklavenhandel heute noch nicht aufgearbeitet sei.

Statue wird entfernt
Legende: Johann August Sutters Denkmal-Statue im kalifornischen Sacramento wird am 15. Juni 2020 entfernt – nach Protesten aus der indigenen Bevölkerung gegen dessen Rolle. Keystone / AP / Daniel Kim

Für die «historische Aufarbeitung kolonialer Vergangenheit Baselbieter Persönlichkeiten» beantragte die Regierung deshalb 100'000 Franken. Dem hat nun der Landrat am Donnerstag mit 44:39 Stimmen bei 3 Enthaltungen zugestimmt.

Verantwortung für Vergangenheit

Dagegen argumentierten FDP und SVP, solches sei nicht Aufgabe des Kantons. Dieser solle sein Geld besser zur Lösung von Problemen der Gegenwart ausgeben. Ein Antrag auf Halbierung der Summe wurde knapp abgelehnt.

SP-Landrat Jan Kirchmayr, dessen Postulat den Antrag ausgelöst hat, verwies auf eine kritische Untersuchung der Historikerin Rachel Huber zu Sutter. Der Kanton habe eine Verantwortung für seine Vergangenheit.

Für ihn ist dabei nicht Ziel, dass man eine Statue stürze oder Sutters Geschichte auslösche, sondern im Gegenteil: «Wir müssen die ganze Geschichte erzählen und diese Geschichte auch reflektiert erinnern.» Die kritische Reflexion unterstützte in der Debatte auch die EVP.

Wir müssen die ganze Geschichte erzählen und diese Geschichte auch reflektiert erinnern.
Autor: Jan Kirchmayr Baselbieter SP-Landrat und Lehrer

Der Antrag für diese Forschung durch eine Universität ist zudem offen formuliert: Dies, weil auch weitere Persönlichkeiten aus dem Kanton einst in kolonialer Umgebung aktiv waren und möglicherweise eine andere Rolle spielten, als bisher bekannt ist.

Kirchmayr, der selbst Geschichte studiert hat, könne sich etwa vorstellen, «dass es Seidenbandfabrikanten gegeben hat, die vom Kolonialismus profitiert haben». Solche könnten namentlich Rohstoffe aus Sklavenhänden verarbeitet haben.

Regionaljournal Basel, 26.01.2023, 17:30 Uhr;

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