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Kolonie hat sich verdoppelt Aargauer Mausohren vermehren sich prächtig

Vom warmen Frühling profitieren Mausohrenfledermäuse. Im letzten Jahr ist noch praktisch der ganze Nachwuchs gestorben.

Es wuselt im Dachstock der Kirche von Veltheim AG kurz vor der Dämmerung. Eng aneinander gekuschelt verbringen hier etwa 900 Mausohrfledermäuse gemeinsam den Tag. Sie hängen eng beieinander kopfüber von der Estrich-Decke. Es ist eine der grössten Kolonien der Mausohren in der Schweiz.

Ein schöner Anblick für den Fledermaus-Beauftragten des Kantons Aargau. Und einer, der Andreas Beck mit dem vergangenen Jahr versöhnt. «Das letzte Jahr war eine Katastrophe. Da lagen praktisch alle Jungtiere tot am Boden. Es war ein scheussliches Bild», erinnert er sich. Der Grund für die komplett andere Entwicklung in diesem Jahr ist das Wetter im Frühling.

Dachstock mit Fledermäusen
Legende: Rund 900 Mausohrfledermäuse wohnen aktuell im Dachstock der Kirche von Veltheim im Aargau. zvg / Oekovision GmbH, Widen

Dazu muss man wissen, dass Mausohren nur bei trockenem Wetter auf die Jagd gehen. Regnet es, bleiben sie dort, wo sie den Tag verbringen. Die Mütter sind dann geschwächt und können die Jungen nicht genügend ernähren. «In diesem Frühling konnten sie dagegen praktisch jede Nacht auf die Jagd gehen, die Jungen sind deshalb stark und haben eine gute Chance auch den Winter zu überleben.»

Das Grosse Mausohr

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Fledermaus im Flug
Legende: imago images

Das Grosse Mausohr ist eine von etwa 30 Fledermausarten der Schweiz. Es ist eine der grössten Arten, mit einer Flügelspannweite bis 45 Zentimeter und einem Gewicht von 20 bis 40 Gramm.

Die Weibchen versammeln sich im Frühling zu grossen Gruppen, wo jedes Weibchen ein Junges gebiert. Im Sommer verlassen sie die Dachstöcke und ziehen in Winterquartiere wie Höhlen, Stollen, Keller oder verlassene Bunkeranlagen. Dort halten die Tiere einen Winterschlaf.

Dabei wird ihr Energieverbrauch auf ein Minimum abgesenkt, der Herzschlag zum Beispiel sinkt von 600 Schlägen pro Minute auf nur noch 18 bis 60. Werden die Tiere geweckt, verbrauchen sie (zu) viel Energie. Deshalb sollten Orte mit Fledermauskolonien im Winter nie betreten werden.

Grosse Mausohren können über 20 Jahre alt werden. Sie gelten in der Schweiz zwar nicht als vom Aussterben bedroht, werden aber als «verletzlich» eingestuft.

Quelle: Stiftung Fledermausschutz

Die Kolonie in Veltheim konnte sich in den letzten 30 Jahren verdoppeln – trotz fehlendem Nachwuchs im Jahr 2021. Etwas, das es in der Schweiz nur sehr selten gibt. Denn die verschiedenen Fledermausarten leiden unter anderem unter der Lichtverschmutzung. Die Kirche in Veltheim wird wegen der Mausohren auch nicht beleuchtet im Sommer.

Lampe.
Legende: In Veltheim werden die Scheinwerfer zur Beleuchtung der Kirche im Sommer ausgeschaltet. Die Lampen, die die Wege beleuchten, sind gegen oben abgedunkelt. Ist es zu hell, fliegen die Fledermäuse nicht aus. SRF / Christiane Büchli

Die Mausohren sammeln sich in Dachstöcken, weil sich unter den Dächern die Wärme staut. «Die Jungen sind nach der Geburt nackt und brauchen Wärme. Deshalb schliessen sich die Mütter auch zu diesen grossen Kolonien zusammen, sie sparen damit Energie», erklärt Andreas Beck.

In Veltheim lassen sich die Fledermäuse sogar zählen. Sie fliegen durch zwei schmale Fenster in die Nacht hinaus, eine nach der anderen. Deshalb weiss Andreas Beck ziemlich genau, wie viele sich gerade im Dachstock der Kirche tummeln.

Ein Mann blickt nach oben.
Legende: Der Fledermaus-Beauftragte des Kantons Aargau, Andreas Beck, blickt zum Kirchturm hoch. In der Hand hat er ein Gerät, das die Ultraschalltöne der Fledermäuse hörbar macht. SRF / Christiane Büchli

Die Kolonie ist in den letzten Jahren also – mit Ausnahme einzelner Jahre – gewachsen. Ob in den nächsten Jahren noch mehr Mausohren in Veltheim zusammenkommen, ist für Andreas Beck aber nicht sicher. Denn die Tiere brauchen genügend Nahrung. Mausohren jagen – im Gegensatz zu den meisten anderen Fledermausarten – nicht beim Fliegen. Sie landen am Wald- oder Wiesenboden, schnappen sich Käfer, und fressen diese dann im Flug.

Teilweise fliegen die Tiere in einer Nacht bis zu 20 Kilometern. Damit sie rechtzeitig vor Tagesanbruch zurück sind, braucht es also genügend Nahrung in diesem Umkreis. Und dies sei wohl der limitierende Faktor für die Kolonie in Veltheim. Platz für weitere Tiere hätte es auf dem Dachstock der Kirche auf jeden Fall noch genug.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 30.6.2022, 17:30 Uhr ; 

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