Der Besuch ist zwar angekündigt, aber doch eher von der unerwarteten Sorte. Es klingelt, die Hausbesitzerin öffnet die Tür – und draussen stehen in olivgrün-oranger Uniform Sandro Birrer und ein weiterer Mitarbeiter des Zivilschutzes und bitten darum, einen Blick in den Schutzraum des Hauses werfen zu dürfen.
Im Kanton Luzern sind solche Hausbesuche seit Anfang April nichts Ungewöhnliches mehr. Als schweizweit einziger Kanton nämlich lässt er flächendeckend all jene privaten Luftschutzräume durch den Zivilschutz begutachten, die vor mehr als 40 Jahren gebaut wurden.
Das Ziel ist klar: Die Schutzanlagen sollen in der Lage sein, auch wirklich Schutz zu bieten, falls es nötig wird. «In diesen Räumen sollten sich Menschen zwischen ein paar Stunden bis zu einigen Tagen aufhalten können», sagt Sandro Birrer, der als Leiter des Bereichs Infrastruktur beim Luzerner Zivilschutz heute im Raum Sempach auf einem Kontrollgang ist.
Schutz bei Erdbeben – und bei Krieg
Zur Anwendung kommen könnten sie bei Naturkatastrophen wie etwa Erdbeben – aber auch bei kriegerischen Ereignissen, sagt Birrer. «Sie schützen vor der Wirkung heutiger Waffen. Vor Druckwellen, Wärme und Strahlung, aber auch vor biologischen und chemischen Kampfstoffen.»
In diesen Räumen sollten sich Menschen zwischen ein paar Stunden bis zu einigen Tagen aufhalten können.
Dazu müssen sie aber gut im Schuss sein. Erste Erfahrungen der Zivilschutzkontrollen im Kanton Luzern zeigen jedoch: Vielfach sind Filteranlagen und andere Geräte nicht mehr richtig funktionstüchtig und müssen ausgewechselt werden. Gerade in älteren Häusern wurden sie teilweise seit Jahrzehnten nicht mehr überprüft.
Die Kontrollen sind aufwändig: Alleine im Kanton Luzern gibt es rund 16'500 kleinere und grössere Schutzräume. Der Bund sieht zwar vor, die kleineren Luftschutzkeller in Einfamilienhäusern in den kommenden Jahren schrittweise aufzuheben, weil sie schwieriger zu bewirtschaften sind als grössere Anlagen mit 25 bis 50 Plätzen.
Aber im Moment gibt es sie noch. Und es gilt auch weiterhin der Grundsatz, dass jedem Bewohner und jeder Bewohnerin der Schweiz ein Schutzplatz zusteht. Der Luzerner Sicherheitsdirektor Paul Winiker (SVP) hält diesen Grundsatz, der aus den Zeiten des Kalten Kriegs stammt, für richtig. Und begründet damit auch die Schutzraum-Inspektionen, die sein Kanton durchführen lässt.
Ukraine-Krieg löste Fragen zu Schutzräumen aus
«Als der Krieg in der Ukraine ausbrach, hatten wir Dutzende Anrufe von Leuten, die wissen wollten, wo ihr Schutzraum sei», sagt Winiker. Die aktuelle Weltlage zeige darum, dass es sich lohne, das während Jahrzehnten teuer aufgebaute Netz von Schutzräumen zu unterhalten – «nicht perfektionistisch, aber vernünftig und mit angemessenem Aufwand».
Sandro Birrer und sein Mitarbeiter sind am Ende ihres Rundgangs durch den Schutzraum. Ihr Fazit: Die Anlage ist in ordentlichem Zustand. Bloss bei der Kontrolle des Luftfilters gab es eine Überraschung – er war gefüllt mit toten Mäusen.