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Konzerte oder Wirtschaftsevent Was bringen Pilotveranstaltungen wirklich?

Kantone führen testweise grössere Anlässe durch. Dies soll wichtige Erkenntnisse bringen. Experten sind skeptisch.

Die Eingangskontrolle der Startup-Days im Berner Kursaal gleicht der eines Flughafens. Erste Station: Temperatur messen. Zweite Station: Schriftlich bestätigen, dass man mit den Schutzbestimmungen und Auflagen einverstanden ist. Dritte Station: Ausweiskontrolle.

Einem Mann mit Maske wird an der Stirn die Temperatur gemessen.
Legende: An den Startup-Days wurde allen Gästen die Temperatur gemessen. Christian Liechti/SRF

Vierte Station: Resultat des Covid-Selbsttestes vorweisen, den man bereits zu Hause gemacht hat. Wer sich noch nicht testete, muss jetzt ins mobile Testzentrum. Erst wenn alle diese Stationen durchlaufen sind, erhalten die Teilnehmenden den Zutritts-Badge.

Auflagen für Testanlässe

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An eine Testveranstaltung darf nur, wer bereits zweimal geimpft ist, kürzlich eine Infektion durchgemacht hat, oder einen negativen Corona-Test vorweisen kann.

Hinten auf dem Badge ist ein Chip angebracht. Dieser zeichnet die Bewegung im Kursaal auf. Stellt sich heraus, dass jemand – trotz der aufwändigen Sicherheitsmassnahmen – mit dem Coronavirus infiziert war, könnte man nachvollziehen, mit wem diese Person in Kontakt war.

Testanlässe in Sport, Kultur und Wirtschaft

Neben diesem Wirtschaftsanlass werden im Kanton Bern auch Testanlässe in den Bereichen Kultur und Sport durchgeführt. Diese Woche finden zum Beispiel vier Konzerte von Patent Ochsner im Berner «Bierhübeli» statt. Jeweils 500 Musikfans sind zugelassen.

Zurück zu den Startup-Days im Kursaal, wo sich erste Tücken der Veranstaltung zeigen. Das Resultat des vorgängig gemachten Selbsttests mussten die Teilnehmenden in einer App erfassen. Als während dem Einlass viele gleichzeitig auf diese App zugreifen wollten, sei sie zwischenzeitlich abgestürzt, sagt Peter Hug. Er ist für das Corona-Schutzkonzept der Startup-Days zuständig.

Breite Palette an Pilotanlässen in der Zentralschweiz

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In der Zentralschweiz haben bereits mehrere Pilotveranstaltungen stattgefunden oder sind noch geplant. Das geht von Matura- und Lehrabschlussfeiern über Konzerte bis zu Schwingfesten. Den Anfang machte am 5. Juni ein klassisches Konzert in Andermatt im Kanton Uri. Die Vorführung der amerikanischen Sopranistin Marisol Montalvo durfte vor 325 Zuschauerinnen und Zuschauern stattfinden, was der Hälfte der verfügbaren Sitzplätze entsprach. Gekommen sind 270 Gäste.

Der Festival-Gründer Peter-Michael Reichel zeigte sich erleichtert nach der Veranstaltung. «Ich bin sehr glücklich, dass wir den Status einer Pilotveranstaltung erhalten haben. Sonst hätten wir 100 Gäste ausladen müssen.» Die Veranstaltung sei denn auch ohne grosse Probleme über die Bühne gegangen. «Die Gäste und die Künstlerin haben die Schutzauflagen gut akzeptiert.»

Auch die Vorbereitungen auf den Anlass seien logistisch ziemlich aufwändig gewesen, sagt Hug: «Wir haben allen Teilnehmenden im Vorfeld Corona-Tests geschickt. Diese zu beschaffen, zu verpacken und zu verschicken, war eine ziemliche Herausforderung.»

Im Aargau feierten 1000 Leute das Jubiläum einer Bank

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Die Raiffeisenbank Aare-Reuss feierte an drei Tagen ihr 100-jähriges Jubiläum. Der Samstag wurde als Testanlass durchgeführt. Somit konnten an diesem Tag 1000 Besucherinnen und Besucher auf das Festgelände in Wildegg. An den anderen beiden Tagen durften jeweils 300 Personen rein. Eingeladen waren Kundinnen und Kunden der Bank.

Daneben war bereits Anfang Juni das kantonale Schwingfest in Lenzburg eine Pilotveranstaltung. 600 Personen waren zugelassen. Auf eine grosse Arena wurde verzichtet. Das Publikum sass auf Bänken rund um die Sägemehlringe und es galt eine Maskenpflicht.

Seit dem 26. Juni sind die Bestimmungen für Veranstaltungen gelockert: Für Veranstaltungen mit Covid-Zertifikat gibt es keine Beschränkungen mehr – es können auch wieder Veranstaltungen mit mehr als 10'000 Zuschauern stattfinden.

Da drängt sich die Frage auf: Braucht es solche Testevents wie die Startup-Days überhaupt noch? «Unbedingt», sagt Matthias Egger, Epidemiologe der Universität Bern. Solche Pilotveranstaltungen hätten das Potenzial, zu zeigen, was funktioniert und was nicht. Mit diesen Erkenntnissen könnte man danach weitere Öffnungsschritte bewilligen.

Keine Testanlässe im Kanton Zürich

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Der bevölkerungsreichste Kanton verzichtete komplett auf die Durchführung von Testanlässen. Der Zürcher Regierungsrat verspreche sich von solchen Testanlässen «mit den vom Bund vorgegebenen Auflagen bei hohem administrativem Aufwand keinen Erkenntnisgewinn», teilte er am 25. Mai mit.

Eine verpasste Chance

Matthias Egger stört sich aber daran, dass an diesen Testanlässen trotz strikter Kontrollen eine Maskenpflicht herrscht. Ohne Maskenpflicht wäre es laut Egger möglich gewesen, den Anlass wissenschaftlich zu untersuchen. «Man hätte die Teilnehmenden nach dem Anlass noch einmal testen und die Ausbreitung des Virus so verfolgen können.» Zusammen mit den Trackingdaten hätte man so aufschlussreiche Erketnntisse erhlaten, so Matthias Egger.

Eine verlässliche wissenschaftliche Analyse dieser Anlässe ist kaum möglich.
Autor: Christian von Burg Wissenschaftsredaktor SRF

Auch SRF Wissenschaftsredaktor Christian von Burg sieht den Knackpunkt bei den Tests. «Fünf Tage nach dem Anlass sollten sich alle Teilnehmenden testen lassen. Aus Datenschutzgründen ist dieser Corona-Test jedoch freiwillig.» So sei eine verlässliche wissenschaftliche Analyse dieser Anlässe kaum möglich, sagt von Burg.

Deshalb geben diese Pilotveranstaltungen lediglich Hinweise darauf, was bei künftigen Grossveranstaltungen bei der Logistik zu beachten ist. Wissenschaftliche Erkenntnisse bringen sie wenige bis keine.

SRF1, Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 23.06.2021, 17:30 Uhr ; 

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