Das Wichtigste in Kürze:
- Immer wieder wird der Vorwurf laut, dass das Abstimmungsbüchlein des Bundesrats nicht alle wesentlichen Fakten enthält.
- Auch bei der Abstimmung über die Energiestrategie 2050 fehlen in einem wesentlichen Punkt Informationen in der offiziellen Schrift des Bundesrats.
- Es geht um finanzielle Folgen, die ein Ja am übernächsten Wochenende hätte: Eine Studie, über die das Bundesamt für Energie verfügt, weist wesentlich höhere Kosten aus als im Abstimmungsbüchlein angegeben werden.
- Diese betreffen die jährlichen Mehrkosten für Haushalte . Aber auch die zu erwartenden Steuerausfälle für Bund und Kantone fehlen im Abstimmungsbüchlein.
Nur 40 Franken pro Jahr werde ein Haushalt mehr bezahlen müssen mit dem geplanten Netzzuschlag in der Energiestrategie zur Förderung von erneuerbaren Energien. Das verspricht der Bundesrat im Abstimmungsbüchlein.
Bei der offziellen Medienkonferenz zur Abstimmung hat Bundespräsidentin Doris Leuthard nachgedoppelt: «Mit dem Netzzuschlag, der 40 Franken pro Jahr für einen Haushalt mit vier Personen ausmacht, ist das zumutbar.»
Was das Abstimmungsbüchlein aber nicht sagt: Dem Bundesamt für Energie liegt eine Untersuchung vor, die es beim deutschen Beratungsunternehmen consentec in Auftrag gegeben und am 25. März auf den neuesten Stand hat bringen lassen.
Diese rechnet aus, welche Kosten die Entwicklung des Stromnetzes in den kommenden Jahren verursacht. Die Untersuchung zeigt: Mit dem 1. Massnahmenpaket der Energiestrategie wird die Belastung für Privathaushalte grösser.
Kosten werden weiter steigen
Christian Linke, einer der Studienautoren, sagt: «Das wird zu einer Zunahme der Kosten für Haushalte führen. Diese würde unserer Einschätzung nach so zwischen 40 und etwa 65 Franken liegen.» Noch einmal bis zu 65 Franken mehr im Jahr 2035 – die Zusatzkosten für einen Vierpersonen-Haushalt wären damit mehr als doppelt so hoch wie vom Bundesrat behauptet.
In den Abstimmungserläuterungen muss man sich halt immer beschränken und priorisieren.
Das hänge vor allem damit zusammen, dass die Verteilnetze stärker ausgebaut werden müssten, sagt Studienautor Linke. Dies, da geförderte Energieformen wie Sonne und Wind dezentral produziert werden. Auch die intelligenten Stromzähler, die der Bundesrat für jeden Haushalt zur Pflicht erklären will, gehen ins Tuch. Innerhalb von sieben Jahren müssten sie überall installiert sein, wie aus einem Verordnungsentwurf hervorgeht.
Der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE schreibt dazu in einer noch unveröffentlichten Stellungnahme: «Die direkten Mehrkosten dieser Vorgabe dürften sich auf über eine Milliarde Franken belaufen.» Der VSE, der eigentlich für die Energiestrategie ist, lehnt die geplante Umsetzung innerhalb von sieben Jahren deshalb ab.
Steuerausfälle für Bund und Kantone
Noch in einem anderen Punkt unterschlägt das Abstimmungsbüchlein wesentliche Konsequenzen der Energiestrategie. Gebäudebesitzer könnten künftig deutlich höhere Steuerabzüge für energetische Sanierungen geltend machen.
Auf Anfrage von SRF News schreibt die Eidgenössische Steuerverwaltung: Diese Massnahme würde gemäss Schätzungen zu Steuerausfällen bei Bund und Kantonen zwischen 120 und 240 Millionen Franken pro Jahr führen.
Weshalb wird all dies den Stimmbürgern nicht gesagt?
Die zusätzlichen Netzkosten seien nicht Teil der Abstimmungsvorlage, erklärt die Sprecherin des Bundesamtes für Energie, Marianne Zünd. Komme dazu, dass man die Kosten gegenüber dem Parlament offen gelegt habe: «In der Botschaft zum ersten Massnahmenpaket hat der Bundesrat sehr wohl die Kosten aufgelistet, die im Rahmen der nötigen Netzentwicklung anfallen könnten. Das sind volkswirtschaftliche Kosten. Das sind also nicht Kosten, die der Konsument eins zu eins bezahlt.»
Nur ein Teil dieser Kosten werde effektiv auf die Konsumenten überwälzt, sagt Zünd. Zu den erwarteten Steuerausfällen meint die Sprecherin, man könne nicht voraussagen, welche Hausbesitzer tatsächlich von den Massnahmen Gebrauch machen würden: «Darum sind dort Aussagen dazu wirklich sehr schwierig zu machen. Und in den Abstimmungserläuterungen muss man sich halt immer beschränken und priorisieren.»
Ob die Priorisierungen im Abstimmungsbüchlein überzeugen, können die Stimmberechtigten am 21. Mai entscheiden.