Der Ständerat will die Regeln bei Waffenexporten deutlich lockern - eine komfortable bürgerliche Mehrheit hat sich durchgesetzt. Die Lockerungen beim Export von Kriegsmaterial werfen Fragen zur Neutralität auf. Zudem drohen Linke mit dem Referendum. Die Übersicht von SRF-Bundeshaus-Redaktor Dominik Meier.
Das hat der Ständerat beschlossen?
Von den Lockerungen sollen 25 westliche Staaten profitieren: Sie sollen künftig grundsätzlich immer eine Bewilligung erhalten für Waffenkäufe in der Schweiz. Die heutigen Kriterien - etwa, dass ein Käuferland in keinen Konflikt verwickelt sein darf - sollen laut Ständerat für diese Ländergruppe mit Deutschland, Frankreich, Ungarn und den USA nicht mehr gelten. Allerdings könnte der Bundesrat aus aussen- oder sicherheitspolitischen Überlegungen das Veto einlegen gegen einzelne Rüstungsgeschäfte.
Zudem will der Ständerat die 25 Staaten auch bei der Weitergabe von Kriegsgerät privilegieren: Sie dürfen demnach in der Schweiz gekaufte Waffen oder Munition frei an Länder ihrer Wahl weitergeben.
Warum diese Lockerungen beim Kriegsmaterialgesetz?
Treibende Kraft ist die Rüstungsindustrie. Sie verweist auf Deutschland und die Niederlande: Beide Staaten wollen Schweizer Rüstungsfirmen ganz oder zum Teil boykottieren, weil ihnen der Bundesrat die Weitergabe von Schweizer Kriegsmaterial an die Ukraine verbietet. Nato-Staaten befürchten weitere Einschränkungen, sobald Russland ein Nato-Mitglied angreifen würde. Dann nämlich hätten alle Nato-Staaten eine Beistandspflicht, sie würden zur Kriegspartei und könnten nicht mehr von der Schweiz beliefert werden.
SVP, FDP und Mitte-Partei haben die Anliegen der Rüstungsindustrie im Ständerat fast geschlossen unterstützt. Ihr Hauptargument: Die für die Schweizer Armee wichtige Rüstungsindustrie könne nur dank des Exportgeschäftes überleben. Zudem müssten Schweizer Rüstungsfirmen unbedingt Teil internationaler Lieferketten bleiben. Das sei ein wichtiges Pfand, um im Krisenfall im Ausland Waffen kaufen zu können.
Eine «Carte Blanche» für westliche Länder: Was heisst das für die Neutralität?
Ob sich eine «Carte Blanche» mit der Neutralität verträgt, ist umstritten. Denn auch wenn das Parlament das Kriegsmaterialgesetz lockert, gilt weiterhin das Neutralitätsrecht. Dieses schreibt vor, dass die Schweiz Kriegsparteien gleich behandeln muss.
Bei einem Angriff auf ein Nato-Land müsste der Bundesrat auch weiterhin abwägen, ob Lieferungen an Nato-Staaten noch möglich sind. Offenbar stellen die Bundesbehörden bereits Überlegungen an: Entscheidend wäre, wie und mit welchen Mitteln ein Nato-Staat dem angegriffenen Bündnispartner zur Hilfe eilt. Blosse Materiallieferungen würden nicht als Kriegsteilnahme gelten. Würde ein Staat hingegen Truppen schicken, wären Waffenexporte auch mit den gelockerten Regeln nicht mehr möglich.
Fragen stellen sich auch bei der Weitergabe von Rüstungsgütern: Wenn westliche Länder Schweizer Waffen frei weitergeben können, könnte zum Beispiel Deutschland im Auftrag der Ukraine in der Schweiz Waffen kaufen und dann weitergeben. Das wäre mit der Neutralität kaum vereinbar.
Wie geht es weiter?
Als nächstes entscheidet der Nationalrat. Eine Mehrheit ist auch dort denkbar. Allerdings drohen SP und Grüne mit dem Referendum. In ihren Augen öffnen die Lockerungen Tür und Tor für Missbrauch. Konkret befürchten sie zum Beispiel, dass Schweizer Kriegsmaterial vermehrt an Unrechtsstaaten weitergegeben werden könnte.