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Kritik an Astra «Lärmschutz ist eine lästige Pflichtübung»

Das Bundesamt für Strassen rechnet mit hohen Pauschal-Preisen. Lärmschutzprojekte werden deswegen oft nicht realisiert.

Autos machen Lärm. Viele Autos machen viel Lärm. Der Bund als Eigentümer des Nationalstrassen-Netzes ist verpflichtet, Anwohnerinnen und Anwohner vor dem Autobahn-Lärm zu schützen. So steht es im Gesetz.

«Kein Wille, gegen Lärmemissionen vorzugehen»

Das zuständige Bundesamt für Strassen Astra entledigt sich jedoch oft dieser Pflicht mit einem Rechen-Trick. Dabei hilft der wirtschaftliche Tragbarkeitsindex WTI. Vereinfacht gesagt eine Berechnung, die Kosten und Nutzen gegeneinander abwägt.

Dazu muss man wissen, dass bevor überhaupt eine einzige Offerte für Lärmschutzprojekte, z. B. Lärmschutzwände, eingeholt wird, Astra-Mitarbeiter selber die zu erwartenden Baukosten berechnen, mit Pauschalpreisen. Die Preise sind so hoch angesetzt, dass gewisse Lärmschutzmassnahmen von vornherein als zu teuer gelten.

Nordportal Tunnel Eich, A2 quer durch Eich LU am Sempachersee
Legende: Das Astra schiesst dringend nötige Lärmschutzprojekte ab – mit völlig überhöhten Kostenprognosen. SRF

Genau das passiert in Eich (LU) am Sempachersee: Einen lärmarmen Deckbelag bewilligt das Astra. Eine Erhöhung und Erneuerung der bestehenden Lärmschutzwände entlang der A2 lehnt es ab. Begründung: Das Projekt sei zu teuer. Das ärgert Adrian Bachmann, Gemeindepräsident von Eich: «Der Verkehr nimmt in den folgenden Jahren nicht ab. Der Lärm nimmt also zu. Und seitens des Bundes ist man nicht gewillt, effektiv gegen Lärmemissionen vorzugehen.»

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«Hier passieren Fehlentscheide»

Auch Franz Grüter, selber Eicher Einwohner und SVP-Nationalrat, kritisiert die Praxis des Astra. Er kennt Offerten, die mit wesentlich günstigeren Preisen für Lärmschutzwände rechnen: «Vergleichbare Offerten haben gezeigt, dass der Astra-Preis viermal höher ist. Selbst wenn es nur die Hälfte des Astra-Preises wäre, zeigt es deutlich, dass hier Fehlentscheide passieren.» Grüter fordert das Astra auf, die Kalkulationen zu ändern und ein anderes Modell zu entwickeln.

Ein Blick auf Astra-Lärmschutzprojekte zeigt: Eich ist kein Einzelfall. Die Folge: Wegen der hohen Kosten beantragt das Astra beim Bund sogenannte Erleichterungen. Die Lärmschutzmassnahme wird so für wirtschaftlich nicht tragbar bzw. unverhältnismässig erklärt. Und muss deshalb nicht umgesetzt werden. Danach gilt der Strassenabschnitt als lärmsaniert. Administrativ lärmsaniert. Gebaut wird effektiv nichts!

Grafik vom Astra zu den Grundlagen
Legende: Die Grundlagen für den Astra-Entscheid, ob eine Lärmschutzwand gebaut wird oder nicht. Astra

«Das Astra ist halt ein Strassenamt»

Für Peter Ettler ist die Astra-Praxis nichts Neues. Als Präsident der Lärmliga Schweiz und als Anwalt sammelte er diverse Erfahrungen mit dem Bundesamt: «Das Astra ist halt ein Strassenamt. Sie wollen Autobahnen aus- oder neu bauen. Lärmschutz ist da mehr oder weniger eine lästige Pflichtübung. Man macht ein Minimum.» Ausserdem müsse man den WTI-Index überdenken. «Die Gesundheitskosten sind im Index nicht enthalten. Er datiert aus dem Jahr 2006.»

Veraltete Berechnungsgrundlage, Lärmsanierungen nur auf dem Papier: Zu dieser Kritik will sich das Astra, trotz mehrerer Versuche und Anfragen von «Kassensturz», nicht äussern. Zum konkreten Fall von Eich will das Astra nichts sagen, weil die Gemeinde Eich aktuell gegen das Bundesamt vor Bundesgericht prozessiert.

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