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Kritik von vielen Seiten Harsche Vorwürfe gegen Hausarzt-Label

Falsche Versprechungen, fehlende Bewilligungen, schlechte Zahlungsmoral – die Vorwürfe gegen einen Unternehmer aus Österreich und seine Arztpraxen-Kette wiegen schwer. Der Angeschuldigte wehrt sich.

29 Arztpraxen besitzt er, und es sollen mehr werden. «Es könnten 500 sein», sagt der Österreicher Christian Neuschitzer der «Rundschau». Pro Monat übernehme er vier neue Arztpraxen in der Schweiz.

2018 lancierte Neuschitzer das Label MeinArzt. Die Idee: Hausärzten, die keinen Nachfolger finden, eine Lösung bieten. Neuschitzer gründet eine GmbH und der Arzt überschreibt ihm die Praxis. MeinArzt sucht einen Nachfolger, der Alt-Arzt kann sich in Ruhe zurückziehen, und die Administration übernimmt die Zentrale.

Heftige Kritik

Doch jetzt kommt Kritik auf. Etwa vom Aargauer Hausarzt Riccardo Regli. Er hat 2018 seine Praxis an Neuschitzer überschrieben und fühlt sich hintergangen: «Meine Erfahrungen sind negativ.»

So habe ihm Neuschitzer beispielsweise vertraglich zugesichert, dass er Teilhaber der GmbH werde. Im Handelsregister wurde Regli aber nie eingetragen. Neuschitzer entgegnet, der Arzt habe den Wunsch, Teilhaber zu sein, mündlich zurückgezogen.

Rechtsstreit mit Ärzten

Die Rundschau weiss von zehn Ärzten und Ärztinnen, Partnerfirmen sowie Lieferanten, die mit MeinArzt im Rechtsstreit sind oder hohe Geldforderungen stellen. Der Redaktion liegen Briefe von Ärzten vor. «Jemand muss diesen Mann stoppen», heisst es etwa darin.

Fragen werfen zudem fünf MeinArzt-Praxen in Zürich auf, wo laut Recherchen die nötige Praxisbewilligung fehlt. Die Zürcher Gesundheitsbehörde hält in einem Schreiben an MeinArzt fest, dass die Betriebe aufgrund ihrer Ausgestaltung «der Bewilligungspflicht unterstehen».

Neuschitzer sagt auf Anfrage, er habe die fehlenden Bewilligungen jetzt beantragt. Er weist sämtliche Vorwürfe zurück und entgegnet, man halte sich an behördliche Vorgaben. Bei Praxisübernahmen komme es teilweise zu Verzögerungen. Fehler würden umgehend korrigiert.

Wütende Gläubiger

Die Firmen von Christian Neuschitzer geraten auch wegen ihrer Zahlungsmoral in die Kritik. Ein Medikamentenlieferant gibt an, MeinArzt schulde ihm 1.3 Millionen Franken – davon knapp eine Million für nicht bezahlte Medikamente. Im Betreibungsregister, Stand März, sind offene Beträge von insgesamt rund einer halben Million Franken.

Neuschitzer erklärt: «Unsere eigene Buchhaltung war mit den Zahlungen völlig überfordert.» Im März habe er deshalb eine Treuhandfirma gegründet. Vieles sei bereits bezahlt und ab sofort werde alles besser.

Lebenslauf mit Lücken

Über Neuschitzers Tätigkeit bevor er in die Schweiz kam, findet sich im Internet kaum etwas. Recherchen zeigen, dass er in Österreich und Deutschland Firmen besass. Unter anderem war er Besitzer einer Tanzbar in Villach und Geschäftsführer in einem Swingerclub am Wörthersee.

Im Laufe der Recherche erhält die Redaktion auch E-Mails aus der Firmenzentrale von Angestellten, Ärzten, Praxisassistentinnen und Mitarbeitenden, die Neuschitzer verteidigen. Sie bezeichnen MeinArzt als «Familie». Christian Neuschitzer sei vertrauenswürdig und bezahle den Lohn immer pünktlich. Und: «Er hat grosses für die Schweiz getan.»

Rundschau, 3.6.2020, 20:05 Uhr, srf/bern;

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