Der Bellevueplatz, inmitten von Zürich, nur einige Schritte vom See entfernt: Stadtaufwärts, an der Rämistrasse, liegt das legendäre Restaurant Kronenhalle mit seiner weltweit berühmten Kunst. Gleich nebenan die hauseigene Bar, verwirklicht von Gustav Zumsteg, dem Sohn der Wirtin Hulda Zumsteg.
Hier stimmt jedes Detail
Vormittags um halb 11 sitzen in der Kronenhalle-Bar noch keine Gäste, doch die Vorbereitungen sind in vollem Gang: Gläser polieren, Stoffservietten falten, Eiswürfel auffüllen.
Chef de Bar Christian Heiss ist tadellos angezogen – ein königsblauer Anzug, darunter ein weisses Hemd. Elegant überreicht er die Karte. Die Cocktails tragen zauberhafte Namen – Fairy Tales, Flamingo, Mon Chéri – doch sie ist überraschend klein. «Wir suchen das Gespräch mit dem Gast», erklärt Christian Heiss. Die Kommunikation sei heutzutage aufs Handy fokussiert, dem stellt die Kronenhalle-Bar bewusst gepflegten Umgang und direkten Austausch entgegen. Es gelte, die Stimmung des Gastes herauszufinden, wonach ihm ist. Soll der Drink eher erfrischend sein, anregen oder beruhigen?
Christian Heiss ist im Tirol geboren, arbeitet seit fast 20 Jahren in der Kronenhalle und ist seit 2017 Chef de Bar. Alle nennen ihn freundschaftlich Christian. Jeden Drink, von der Zusammensetzung der Spirituosen im korrekten Mass bis zu den verschiedenen Eissorten, hat er im Kopf. Kein Handgriff, keine Bewegung geschieht zufällig, alles läuft nach klaren Regeln ab. Das sieht locker aus, ist aber harte Arbeit und fordert totalen Fokus.
Die Bar scheint mit ihren zehn runden Marmortischen übersichtlich, doch finden hier und am Tresen bis zu 45 Personen Platz. Dann hat das Team alle Hände voll zu tun.
Auf Musik wartet man vergebens
Musik läuft keine. Die Bar lebt von ihrem diskreten Ambiente; von den Kunstwerken an den Wänden, dem grossen Alabasterleuchter und gedämpftem Licht. Zu hören gibt es plaudernde Gäste und die Geräuschkulisse des Tresens. «Das schönste Geräusch», sagt Christian Heiss, «ist das Eis im Shaker». Viele Werkzeuge dafür braucht es nicht, sie liegen alle griffbereit auf gestärkten Servietten: Eisschaufel, Löffel, Massbecher und Shaker – alles aus poliertem Edelmetall.
Die Zubereitung eines Cocktails ist eine Kunst für sich. Wer hier einen Cocktail bestellt oder auch einfach nur ein Glas Wein trinkt, erlebt ein Spektakel ohne Vergleich. Es ist, als würde man eine Bühne betreten und einer stillen Choreografie beiwohnen. Das Wissen um die Spirituosen ist das eine – sie zu einem einzigartigen Drink zusammenzubringen, setze aber Kreativität voraus, sagt Christian Heiss.
Alle Teile der fünfteiligen SRF-Serie «Züri mal andersch»
Er weiss, wovon er spricht. Vor zehn Jahren hat ihn der Diogenes-Verlag gebeten, für Friedrich Dürrenmatt einen Drink zu kreieren – als Hommage. Um dieser grossen Persönlichkeit gerecht zu werden, habe er recherchiert, erzählt der Chef de Bar. Dass Dürrenmatt ein Fan von Whiskey und Bordeauxwein war, hat sich nun in dem nach ihm benannten Cocktail niedergeschlagen. Der stehe übrigens nicht auf der Getränkekarte, verrät Christian Heiss, werde aber gerne und oft von Schriftstellern bestellt.
Das Gastgeberische steht für den Chef de Bar je länger je mehr im Zentrum seiner Arbeit. «Menschen kommen wegen Menschen», fasst er zusammen.
Die speziellen Drinks und ihre stilgerechte Zubereitung sind das eine, das andere ist nicht käuflich: das Ambiente, das sinnliche Erlebnis in der Kronenhalle-Bar.