Die beiden Co-Präsidenten der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos), Felix Wolffers und Therese Frösch, haben am Dienstag ihren Rücktritt auf nächsten Frühling angekündigt. Die Skos, der Fachverband, der sich für die Ausgestaltung und Entwicklung der Sozialhilfe engagiert, braucht damit ein neues Präsidium. Was sich in den letzten Jahren bei der Sozialhilfe verändert hat, sagt Wolffers im Interview.
SRF News: Hat sich in den letzten Jahren bei der Skos etwas verändert?
Felix Wolffers: Zurzeit ist es so, dass so viele Kantone wie noch nie die Skos-Richtlinien für den Grundbedarf anwenden, nämlich 24 Kantone. Die Harmonisierung hat einen starken Schritt vorwärts gemacht. Aber es zeichnen sich am Horizont düstere Wolken ab.
Die Harmonisierung in den Kantonen hat ihren Preis. Es gab gewisse Verschärfungen, namentlich wurde der Grundbedarf für Grossfamilien und für junge Erwachsene gekürzt. Warum war das nötig?
Das ist ein Problem der Unterstützungsrichtlinien in grossen Familien. Wenn Sie grosse Familiensysteme unterstützen, dann kommen Sie rasch auf hohe Beträge. Diese Beträge sind in der Grössenordnung, wie es auch Erwerbseinkommen sind, und das war für viele Gemeinden ein störender Faktor. Wir haben deshalb diese Richtlinien überprüft und geschaut, wie weit man dieser Kritik noch entgegenkommen kann, ohne dass man das Existenzminimum der betroffenen Familien antastet.
Haben diese Kürzungen in Bezug auf junge Erwachsene, die man möglichst in den Arbeitsmarkt eingliedern will, etwas gebracht?
Es ist ganz klar, für junge Erwachsene ist die Sozialhilfe keine Lösung. Wir müssen alles unternehmen, damit sich solche Personen möglichst kurz in der Sozialhilfe aufhalten. Es kann sein, dass die gekürzten Leistungen einen Beitrag leisten. Wichtig ist aber vor allem die Integration in eine Berufslehre. Diese Anstrengungen stehen für uns im Zentrum.
Immer wieder gibt es politische und mediale Forderungen, dass die Sozialhilfe abgebaut werden soll. Warum machen Ihnen diese Diskussionen Sorgen?
Die Diskussion läuft ohne fundierte Abklärungen. Wir stellen fest, dass in einzelnen Kantonen verlangt wird, dass man die Sozialhilfe um 30 Prozent kürzen soll. Man macht sich eigentlich wenig Gedanken darüber, was das heisst. Bei den Ergänzungsleistungen ist der Grundbedarf für eine Einzelperson 1600 Franken ungefähr und in der Sozialhilfe 986 Franken.
Da ist es klar, dass man nicht noch einmal 30 Prozent kürzen kann, ohne dass man die Lebenshaltung ganz massiv einschränkt und das Existenzminimum unterschreitet. Wenn man einer Familie beispielsweise die Leistungen um 30 Prozent kürzt, dann haben sie pro Person und Tag noch 5 Franken für die Ernährung zur Verfügung. Und das in der reichen Schweiz, wo die Preise hoch sind. Das geht einfach nicht mehr.
Heisst das konsequenterweise auch, dass es aus Ihrer Sicht keine Möglichkeiten, gibt die Sozialhilfe weiter zu kürzen?
Man muss schauen, dass man das System immer wieder überprüft und die Leistungen optimiert. Aber wenn Sie diesen Unterschied zu den Ergänzungsleistungen anschauen, dann stellen Sie rasch fest, dass für grosse Reduktionen eigentlich kein Spielraum mehr besteht.
Im kommenden Frühling werden Sie und Therese Frösch nach fünf Jahren als Co-Präsidenten der Skos aufhören. Hängt das damit zusammen, dass die Aufgabe aufreibend ist?
Die Aufgabe ist an sich sehr reizvoll und sehr interessant. Aber der Aufwand hat in den letzten Jahren in dem Masse zugenommen, wie der politische Druck auf die Sozialhilfe zugenommen hat. Neben einer 100-Prozentstelle als Leiter des Sozialamts der Stadt Bern ist es für mich immer schwieriger geworden, diese beiden Aufgaben unter einen Hut zu bringen.
Das Gespräch führte Elmar Plozza.