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Kunst, Kitsch und Knatsch Schafe für Schafisheim: Kreiselkunst bewegt das Land

Nach jahrelanger Evaluation hat Schafisheim (AG) nun Schafe auf dem Kreisel. Nur eines von vielen Kreiselkunst-Dramen.

In Schafisheim leben gut 3000 Menschen in der Nähe des Autobahnanschlusses Aarau Ost. Das Dorf liegt an einer viel befahrenen Durchgangsstrasse. Im Zentrum führt die Strasse über einen Kreisel, zwischen Bauernhaus, Metzgerei, Restaurant und Pizza-Lieferdienst. Ein kleiner Kreisel, aber mit langer Geschichte.

Die Geschichte handelt vom Kreiselschmuck, der das Verkehrsbauwerk zieren soll. Die Diskussionen im Dorf laufen seit Jahren. Wie so oft begann die Geschichte mit einer Kommission. «In dieser Kommission waren der Kreis-Ingenieur des Kantons, ein Mitarbeiter der Bauverwaltung, ein Künstler, ein Architekt, zwei Mitglieder des Gemeinderates. Man hat das ernst genommen», erzählt Gemeindepräsident Roland Huggler.

Am Schluss entscheidet Geld

Schnell war sich die Kommission einig: Das Kunstwerk auf dem Kreisel soll keine Schafe zeigen. «Schafisheim und Schafe, dieser Gedanke ist so nah. Man wollte etwas Originelles», erinnert sich Huggler. Eine erste Idee aber wurde von der Kommission verworfen. Ein profaner Steinhaufen – vom Kanton als Minimum vorgeschrieben – wollte die Kommission nicht. Ein zweites Projekt eines lokalen Künstlers scheiterte an den Kosten. Schliesslich kamen drei Projekte aus der Bevölkerung – und sie hat entschieden.

Das Kreisel-Drama von Schafisheim

An der Gemeindeversammlung Ende Juni obsiegte ein «günstiges» Kreiselschmuck-Projekt im Kostenrahmen von gut 60'000 Franken. Das Motiv: «Es zeigt eine Schafherde, welche die Familien in Schafisheim darstellen sollen», erklärt der Gemeindepräsident. Es stehen nun also doch Schafe auf dem Kreisel. Demokratisch bestimmt. Gegen den Willen der Regierenden.

Schmuck oder Kunst?

Kreiselkunst bewegt die Lokalpolitik. Immerhin gibt es weit über 3000 Kreisel in der Schweiz. Genaue Zahlen fehlen, denn natürlich sind auch Kreisel Sache der Kantone und Gemeinden. Erst recht nicht statistisch erfasst wird der Schmuck auf Kreiseln. Die Vielfalt ist aber unübersehbar. Von der überdimensionierten Peperoni aus Eisen im Gemüsebaudorf Birmenstorf (AG) über die Swissair-Heckflosse in Kloten (ZH) bis zum Kampfflugzeug in Grenchen (SO).

Kunst ist oft das falsche Wort, findet Friederike Schmid, eine der bekanntesten «Kreiselkunst-Expertinnen» im Land. Die Kuratorin und Projektmanagerin für Kunst am Bau aus Lenzburg sagt: «Viele Kreiselkunst-Projekte sind aus Sicht der Expertinnen gar keine Kunst.» Echte Kunst müsse die Menschen anregen, so Schmid. «Einfach eine Weintraube in einem Kreisel eines Weinbau-Dorfes, das ist noch keine Kunst.»

Kreiselschmuck und Kreiselkunst in der Schweiz

Vor sieben Jahren erkor das SRF3-Publikum den Kreisel von Root (LU) zum schönsten Kreisel der Schweiz. Das Projekt war von Friederike Schmid initiiert worden. Der griechische Künstler Costas Varotso schuf eine 25 Meter hohe gebogene Nadel, an deren Spitze ein 140 Meter langes Stahlseil mit einem zweiten Kreisel verbunden ist. Die riesige Nadel scheint jederzeit loszuspicken und soll die Dynamik der Unternehmen und Menschen in der Region symbolisieren.

Das sei mehr als Kreisel-Dekoration, findet die Kunstexpertin. Und doch sei das Werk einfach. «Jeder Kreisel muss auf den ersten Blick lesbar sein. Die Kunst des Kunstkreisels ist, dass es kein Firlefanz ist, sondern eine simple Darstellung, die man auf den ersten Blick entziffern kann.»

Kreisel in Root
Legende: Die «Nadel» von Root (LU) gilt in Fachkreisen als besonders gelungene Kreiselkunst. SRF (Archiv)

Einfach lesbare Kunst, das ist auch im Sinne der Verkehrsexperten. Denn eigentlich haben Kreisel vor allem einen Zweck: Man fährt darum herum. Egal, ob das «Innenleben» aus Dekoration, Schmuck oder Kunst besteht... oder aus Schafen, die man eigentlich vermeiden wollte.

Echo der Zeit, 27.07.2021, 18:00 Uhr ; 

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