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Die Stadt Görlitz verleiht dem Holocaust-Überlebenden, der seit über dreissig Jahren in Basel lebt, die Ehrenbürgerschaft.
Aus Regionaljournal Basel Baselland vom 17.05.2023. Bild: KEYSTONE / GEORGIOS KEFALAS
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Kunstmaler überlebte drei KZ Shlomo Graber wird Ehrenbürger – dort, wo er hätte sterben sollen

Die Stadt im Osten Deutschland sollte einst sein Grab werden. Jetzt ehrt Görlitz den ehemaligen KZ-Häftling.

Die Jahre im Konzentrationslager (KZ) der Nazis waren die schlimmsten seines Lebens. Seinen Lebensmut verloren hat Shlomo Graber trotzdem nicht: Bücher schrieb der mittlerweile 96-Jährige einige, Gemälde malte er viele und Vorträge über die Zeit des Zweiten Weltkriegs hielt er auch. Und jetzt hat er auch noch eine Auszeichnung bekommen: ausgerechnet von der Stadt, wo er einst im KZ war – von Görlitz.

Ein jüngerer Mann übergibt einem älteren Mann eine Urkunde.
Legende: Der Görlitzer Oberbürgermeister Octavian Ursu reiste für die Übergabe der Ehrenbürgerurkunde zu Shlomo Graber nach Basel. Stadt Görlitz

Die Stadt, die für Graber für «das Schrecklichste, was man einem Menschen antun kann» steht, macht ihn nun zu ihrem Ehrenbürger. Dies nicht zuletzt wegen Grabers Offenheit und seiner Art – aller schrecklichen Erlebnisse und dramatischen Verluste zum Trotz – nicht in Hass zu verfallen. Graber setzte auf die Liebe, nicht auf den Hass.

Ich habe das Schlimmste erlebte, aber ich will nicht hassen.
Autor: Shiomo Graber KZ-Überlebender

«Ich habe das Schlimmste erlebt, aber ich will nicht hassen», sagt Graber. «Ich habe lieber Freundschaften.»

Statt mit der Vergangenheit zu hadern, setzt der Kunstmaler seine Energie lieber dafür ein, Gemälde zu malen. Und Jugendliche über die Zeit im Dritten Reich aufzuklären. «Viele junge Menschen kennen die Geschichte nur aus Büchern und schätzen es sehr, wenn sie einen Zeitzeugen des 2. Weltkriegs wie mich vor sich haben.»

Aufklärung war denn auch der Grund, weshalb Shlomo Graber Jahrzehnte nachdem er fast die gesamte Familie im KZ Auschwitz verloren hatte, nach Görlitz zurückkehrte: zusammen mit Jugendlichen und Holocaust-Überlebenden wanderte er die Teilstrecke eines früheren Todesmarsches ab.

«Todesmarsch» während Naziherrschaft

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Mit sogenannten «Todesmärschen» verschoben die Nazis die KZ-Inhaftierten. Ab 1944 wurden vor allem frontnahe KZ geräumt und die Gefangenen in andere Lager gebracht. Die oft bereits abgemagerten und kranken Menschen mussten zu Fuss gehen. Viele überlebten diese teils tage- oder sogar wochenlangen Märsche nicht - sie erfroren, verhungerten oder wurden von Soldaten erschossen. Die Bezeichnung Todesmarsch stammt von Opfern, die die Märsche überlebten.

Dass Graber – trotz grässlicher Erinnerungen an den Ort – zurück nach Görlitz kam, schätzt man in der ostdeutschen Stadt so sehr, dass man ihn zum Ehrenbürger haben wollte. Bürgermeister Octavian Ursu reiste extra nach Basel, um Graber die Urkunde persönlich zu überreichen.

Lebenslauf Shlomo Graber

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Geboren wurde Shlomo Graber 1926, er wuchs in Ungarn auf. 1941 wurde er nach Polen deportiert. Danach verschleppten ihn die Nazis ins Ghetto und 1944 ins KZ Auschwitz. Ausser seinem Vater verlor er alle Familienangehörigen in Auschwitz; sie wurden von den Nazis ermordet. Er selber wurde in die Konzentrationslager Fünfteichen und Görlitz gebracht. Am 8. Mai 1945 wurde er von der Roten Armee befreit. Shlomo Graber wanderte 1948 nach Israel aus. 1989 kam er nach Basel - der Liebe wegen. Er lebt zusammen mit seiner Partnerin in Basel als Kunstmaler.

«Es war eine beeindruckende Begegnung», schrieb Octavian Ursu danach auf der Webseite seiner Stadt. Shlomo Graber habe in seiner Jugend mehr als sechs Dutzend Familienangehörige verloren, so Ursu weiter. «Es ist ihm gelungen, mit diesen Schrecken zu leben, sich für die Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus und Versöhnung einzusetzen und mit seinen Texten und seiner Kunst bleibendes für die Zukunft zu schaffen.»

Graber freut sich so sehr über die Ehrenbürgerschaft, dass er sie allen zeigen will: Statt sie in der Stube aufzuhängen, ziert sie nun ein Schaufenster der Galerie seiner Lebensgefährtin in Basel.

Regionaljournal Basel, 19.05.2023, 17:30 Uhr;

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