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Landesverweise machen Arbeit Die Ausschaffungsinitaitive beschäftigt die St. Galler Gerichte

Die Fälle am Kantonsgericht St. Gallen haben um 42 Prozent zugenommen. Nicht nur, aber auch wegen Landesverweisen. Weil sich auf nationaler Ebene nicht so schnell etwas ändern wird, soll jetzt der Kanton reagieren.

Im Februar 2016 hat das Schweizer Stimmvolk die Ausschaffungsinitiative der SVP angenommen. Das Gesetz zur Initiative trat im Oktober 2016 in Kraft. Im Gesetz ist klar geregelt, welche Delikte einen Landesverweis nach sich ziehen. Dazu gehören auch kleinere Straftaten wie zum Beispiel ein Kiosk-Einbruch, der als Diebstahl und Hausfriedensbruch gilt.

Ein Landesverweis wird häufig nicht akzeptiert

Ein Landesverweis kann massive Auswirkungen für die verurteilte Person haben. Deshalb sind Verurteilte eher bereit, ein Urteil des Kreisgerichts an das Kantonsgericht – im Kanton St. Gallen die zweite Instanz – weiterzuziehen, sagt Jürg Diggelmann, Präsident der Strafkammer des St. Galler Kantonsgerichts.

Ein Landesverweis kann massive Auswirkungen für den Verurteilten haben.
Autor: Jürg Diggelmann Präsident der Strafkammer des St. Galler Kantonsgerichts

Im vergangenen Jahr haben die Richterinnen und Richter am Kantonsgericht St. Gallen 42 Prozent mehr Fälle beurteilt als im Vorjahr. 166 Fälle mehr, das heisst: mehr Verhandlungen, mehr administrative Arbeiten, und bei Fällen mit Landesverweisen auch längere Urteile, um den Verweis zu begründen.

Mehr Arbeit vom Kantonsgericht bis zum Bundesgericht

Die Arbeitslast für Richterinnen und Richter hat mit der Umsetzung der Ausschaffungsinitiative also massiv zugenommen. Nicht nur im Kanton St. Gallen. Auch in anderen Kantonen und am Bundesgericht als höchste Instanz.

«Die Kantonsgerichte warten in der Regel über ein Jahr lang auf Entscheide des Bundesgerichts», sagt Jürg Diggelmann, Präsident der Strafkammer des St. Galler Kantonsgerichts. Diese Situation sei neu.

Wir warten in der Regel über ein Jahr auf einen Entscheid des Bundesgerichts.
Autor: Jürg Diggelmann Präsident der Strafkammer des St. Galler Kantonsgerichts

«Wenn die Gerichte nicht schon vorher zu viel Arbeit gehabt hätten, dann könnte man mit dieser Flut von Fällen wegen Landesverweisen allenfalls noch umgehen», sagt der Präsident der Strafkammer des St. Galler Kantonsgerichts, Jürg Diggelmann. Es gebe aber seit der Inkraftsetzung der neuen Strafprozessordnung im Jahr 2011 sowieso schon eine massiv höhere Arbeitslast.

Mehrarbeit seit neuer Strafprozessordnung 2011

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Die neue Strafprozessordnung hat die Arbeit der Richterinnen und Richter aufwändiger und komplizierter gemacht.

Jedes Urteil muss schriftlich begründet werden, was früher nur bei einem Weiterzug ans Bundesgericht nötig war.

Zudem wurden früher viele Verfahren schriftlich erledigt und es musste nicht in jedem Fall ein mündliches Verfahren durchgeführt werden.

Die Zahl der Anklagen am Kantonsgericht St. Gallen ist wegen der Strafprozessordnung und der Ausschaffungsinitiative gestiegen. Auch die Bereitschaft, einen Fall weiterzuziehen, sei gewachsen, heisst es auf Anfrage vom Regionaljournal Ostschweiz von Radio SRF. Deshalb haben die Richter jetzt reagiert.

St. Gallen und Zürich warten nicht auf Bundeslösung

Der Kanton Zürich hat schon 19 zusätzliche Stellen bei den Gerichten beantragt. Im Kanton St. Gallen prüft das Kantonsgericht momentan, wie viele Ressourcen es theoretisch bräuchte, um die Mehrbelastung zu bewältigen. Und wie viele zusätzliche Richter-Stellen beim Kantonsrat beantragt werden sollen. Zurzeit arbeiten am St. Galler Kantonsgericht neun Richterinnen und Richter.

Und auch am Bundesgericht gibt es die Forderung nach mehr Richterinnen und Richter. Für Jürg Diggelmann ist klar: Er würde sich wünschen, dass sich die Gesetzgeber bei solchen neuen Erlassen, vor allem im Strafrecht, mehr Gedanken darüber machen würden, was sie an Aufwand bedeuten und welche Kosten sie verursachen.

Regionaljournal Ostschweiz, 17.05.2022, 17:30 Uhr ; 

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