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Landsgemeinde in Appenzell Der letzte Bergkanton ohne Wildruhezonen

Vor 13 Jahren wurden Wildruhezonen an der Innerrhoder Landsgemeinde abgelehnt. Nun wird wieder darüber abgestimmt.

In gut drei Wochen ist in Appenzell Innerrhoden wieder Landsgemeinde. Es ist die erste nach Corona, die letzte fand 2019 statt. Behandelt wird ein Thema, das bereits vor 13 Jahren für viel Zündstoff gesorgt hat: Wildruhezonen. Appenzell Innerrhoden ist der einzige Bergkanton, der keine solchen Zonen kennt.

Wildruhezonen – was ist das?

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Drei Rehe im Schnee
Legende: Keystone

In Wildruhezonen sollen Tiere weniger von Menschen gestört werden. Oft gelten diese Zonen nur im Winter, damit die Tiere nicht aufgescheucht werden, weil sie in dieser Jahreszeit besonders empfindlich sind.

In Wildruhezonen dürfen sich Menschen gar nicht oder nur beschränkt aufhalten.

2009 nahm die Innerrhoder Regierung einen ersten Anlauf, das Stimmvolk stimmte an der Landsgemeinde über die Einführung von Wildruhezonen ab – und verwarf sie. Argumentiert wurde ganz grundsätzlich, mit der persönlichen Freiheit. Man wolle kein neues Gesetz, das vorschreibe, wo man sich frei bewegen dürfe und wo nicht, hiess es damals. «Wird denn heute tatsächlich von uns erwartet, dass wir uns selber, in unserem Kanton Fussfesseln anlegen?», fragte ein Landsgemeinde-Teilnehmer rhetorisch.

Extra einen Film gemacht

Nun stimmt das Innerrhoder Stimmvolk erneut über Wildruhezonen ab. Und das Geschäft bleibt kontrovers. «Etwas plakativ gesagt, geht es vor allem darum, ein bisschen Wald zu schützen», sagt Patrik Koster, Grossrat und Präsident der zuständigen Kommission. «Aber ich glaube, ich habe noch nie zuvor für ein Geschäft so viele Dossiers durchgeackert. Es ist wirklich komplex.»

Vogelperspektive auf die Landsgemeinde
Legende: Wegen Corona fand die Landsgemeinde in Appenzell in den letzten zwei Jahren nicht statt. Keystone

Die Befürworter – dazu gehören die Verbände und Vereine der Bauern, der Waldeigentümer, der Patentjäger und der Naturverbund Appenzell Innerrhoden – haben ein Komitee gegründet. Es wurde extra eine Webseite aufgeschaltet und ein Info-Film gedreht – für Innerrhoder Abstimmungskämpfe ist das aussergewöhnlich.

Angst vor Einschränkungen

Konkret geht es um vier Gebiete, die neu zu Wildruhezonen erklärt werden sollen. Das heisst, zwischen Mitte Dezember und Mitte April darf man diese Gebiete nur auf den Wanderwegen betreten, den Hund muss man an der Leine führen. «Mehr Einschränkungen gibt es nicht», sagt Grossrat Patrik Koster.

Ich habe noch nie zuvor für ein Geschäft so viele Dossiers durchgeackert.
Autor: Patrik Koster Grossrat und Präsident der zuständigen Kommission

Drei dieser Gebiete liegen im Alpstein-Gebiet und sind unbestritten. Streitig ist einzig das Gebiet «Sonnenhalb» südlich von Appenzell, «ein Naherholungsgebiet», wie Sepp Manser, Grossrat und Präsident des Innerrhoder Tourismusverbands erklärt. Die Gegner fürchten eine Einschränkung der persönlichen Freiheit. «Wir haben Angst, dass es kein Entwicklungspotential mehr für die Freizeitnutzung gibt, für Wanderwege oder Bike-Routen», sagt Manser.

Weitere Themen an der Landsgemeinde

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  • Wahl des regierenden und stillstehenden Landammanns sowie der Standeskommission (Kantonsregierung)
  • Wahl Präsidium und Mitglieder Kantonsgericht
  • Fusion der Bezirke Schwende und Rüte
  • Einführungsgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen
  • Kredit für die Sanierung und Erweiterung des Bürgerheims
  • Kredit für die
    Erstellung eines Geh- und Radwegs entlang der Haslenstrasse

Die Befürworter hingegen argumentieren insbesondere mit dem Schutz des Waldes. Die Wildruhezonen sind Teil des Konzepts «Wald und Hirsch», das dem wachsenden Hirschbestand und den Verbissschäden an den Bäumen etwas entgegensetzen will. Im Winter verlieren die Wildtiere mehr Energie als sie aufnehmen können. Werden sie gestört, wird der Energieverlust noch stärker, das kann bis zum Tod führen. Um sich zu schützen, ziehen sie sich in die Wälder zurück und fressen dort, was sie finden. Das führt zu Verbissschäden – zum Unmut der Waldeigentümer.

Wir haben Angst, dass es kein Entwicklungspotential mehr für die Freizeitnutzung gibt.
Autor: Sepp Manser Grossrat und Präsident Innerrhoder Tourismusverband

Für den zuständigen Regierungsrat Ruedi Ulmann ist deshalb klar: «Wenn wir den Wildruhezonen jetzt nicht zustimmen, riskieren wir, dass das ganze Wald- und Hirsch-Konzept stirbt – und damit ein Haufen Geld und Arbeit umsonst war.»

Das Stimmvolk kann an der Landsgemeinde die Vorlage entweder annehmen oder ablehnen. Die Möglichkeit, dass ein einzelnes Gebiet herausgelöst wird, gibt es nicht. Die Gegner könnten also den Antrag stellen, die Vorlage zurückzuweisen.

Analyse von Michael Ulmann

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Ob das Innerrhoder Stimmvolk die Wildruhezonen an der Landsgemeinde tatsächlich gutheisst, ist schwierig zu sagen. Auf den ersten Blick ist das zu erwarten, immerhin sprechen sich alle gewichtigen Verbände und Parteien dafür aus. Es gibt auch kein Gegenkomitee. Nicht unterschätzen darf man aber die ganz eigene Dynamik der Landsgemeinde und die Freiheitsliebe der Innerrhoder. Längst nicht alle Stimmbürgerinnen und Stimmbürger gehören einem Verband oder einer Partei an. Die Meinungsbildung erfolgt tatsächlich oft erst im «Ring», also an der Landsgemeinde selber.

Regionaljournal Ostschweiz, 31.03.2022, 17:30 Uhr ; 

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