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Landwirtschaft und Klimawandel Schweizer Bauern experimentieren mit exotischen Pflanzen

Im Aargauer Fricktal baut ein Bauer Sudangras an – und auch Pflanzenzüchter gehen wegen Hitze und Trockenheit neue Wege.

Bauer Stefan Zumsteg zeigt stolz auf eines seiner Felder. Hier pflanzt der Aargauer Bauer auf einer Hektare Exotisches an: das afrikanische Sudangras, auch «Sorghum» genannt. Exotisch sieht das Feld allerdings nicht aus. «Sorghum gleicht Mais ohne Kolben», meint Zumsteg.

Stattdessen hat Sorghum Rispen, die aussehen wie kleine Fächer. Das Sorghum braucht Zumsteg als Futterzusatz für seine 13 schwarzen Angus-Rinder. Mancher Landwirt hatte im letztjährigen Hitzesommer mit Futterknappheit zu kämpfen, nicht so Bauer Zumsteg.

Wenn hier Mais wäre, würden sich die Wildschweine kaputt lachen, wie ich ihr Futter anpflanze.
Autor: Stefan Zumsteg Fricktaler Bauer

Denn er konnte das fehlende Heu und Gras mit dem exotischen Sorghum ergänzen. Bereits seit vier Jahren pflanzt Zumsteg die Pflanze an: «Bei uns ist es ohnehin trocken und es wird immer noch trockener. Zudem braucht die Pflanze wenig Wasser und Nährstoffe.»

Entdeckt hat der findige Bauer Sorghum per Zufall – auf einer Mittelamerikareise. Er lernte dort einen Schweizer Bauern kennen, der seine Rinder mit Sorghum füttert.

Bauer in Simbabwe
Legende: In Afrika – wie hier in Simbabwe – wird Sorghum geschätzt, weil es resistent gegen Dürreperioden ist. Die robuste, schnell wachsende Pflanze braucht nur wenig Wasser und kennt kaum Schädlinge. Keystone

Sorghum sei ideal fürs Fricktal, da es hier grosse Wildschweinbestände gebe und sein Hof nahe am Wald gelegen sei, sagt Zumsteg: «Wenn hier Mais wäre, würden sich die Wildschweine kaputtlachen, wie ich ihr Futter anpflanze.» Die Wildschweine lieben Mais, Sorghum verschmähen sie.

Zumsteg ist mittlerweile kein Einzelfall mehr. Die neusten Zahlen des Bundesamtes für Statistik zeigen, dass es immer mehr Sorghum-Felder gibt. Im letzten Jahr waren es über 120 Hektaren – drei Mal mehr als noch vor zwei Jahren.

Sorghum als Antwort auf den Klimawandel?

Im Zürcherischen Reckenholz beobachten die Pflanzenforscher Roland Peter und Jürg Hiltbrunner von Agroscope wie hitze- und trockenheitsresistent Sorghum im Vergleich zu Mais ist.

Bei grosser Trockenheit kann sich Sorghum quasi schlafend stellen.
Autor: Roland Peter Pflanzenforscher bei Agroscope

Peter ist Chef der Pflanzenzüchtung von Agroscope. Er sieht die Vorteile von Sorghum gegenüber dem klassischen Futtermittel Mais durchaus: «Bei grosser Trockenheit kann sich Sorghum quasi schlafend stellen. Mais stösst an die Grenze und bekommt etwa bei der Kolbenbildung Probleme.»

Mais bleibt Pflicht

Doch die Pflanzenforscher sind überzeugt, dass Sorghum immer ein Nischenprodukt bleiben wird. Denn für die intensive Landwirtschaft, ob Mast- oder Milchwirtschaft, seien die Bauern auf Mais als Kraftfutter angewiesen, weil dies energiereicher sei. Deshalb sei die Forschung nach robusteren Kulturen auch beim Mais weiterhin notwendig.

Ausgedörrtes Feld
Legende: Viele Feldfrüchte leiden vermehrt unter der Trockenheit. Das macht sich vor allem in sinkenden Erträgen bemerkbar. Keystone/Archiv

Pflanzenforscher Hiltbrunner untersucht verschiedene Kartoffelsorten auf Wetterextreme wie Hitze oder Starkregen. Die hiesigen Kartoffelsorten bevorzugten ein gemässigtes Klima, erklärt er. Hitze und Trockenheit sei für die Knollenbildung ungünstig.

Der Konsument entscheidet mit

Zwar gäbe es bereits hitze- und trockenheitsresistente Sorten – beispielsweise in Nordafrika – doch die entsprechen nicht den Schweizer Qualitätsanforderungen. Die Frage sei, was der Konsument, respektive die Verarbeiter wie Chips- oder Pommes-Frites-Hersteller wollten. Deshalb werde laufend nach neuen Sorten geforscht, ergänzt Hiltbrunner.

Feld
Legende: Die Pflanzenforscher Jürg Hiltbrunner (links) und Roland Peter im Sorghum-Forschungsfeld des Forschungsinstituts Agroscope. SRF/Iwan Santoro

Für den Fricktaler Bauern Zumsteg ist der Klimawandel längst Realität. Er will ihn aber nicht als Problem sehen, sondern eher als Herausforderung. Zumsteg hat deshalb bereits vor zehn Jahren anstelle von Kirschbäumen, welche fürs Fricktal typisch sind, mehrere Edelkastanienbäume gepflanzt. Diese lieben trockenes und warmes Wetter. Das Experiment ist aufgegangen. Im letzten Jahr hat Zumsteg erstmals Marroni verkauft.

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