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Langes Verfahren Prozess gegen mutmasslichen Kaffeefahrten-Drahtzieher

In Altdorf UR findet der Prozess im wohl aufwändigsten Verfahren gegen das verbotene Geschäft mit Kaffeefahrten statt.

Vor dem Landgericht Uri wird der Fall eines mutmasslichen Drahtziehers im Schweizer Kaffeefahrten-Geschäft verhandelt. Es ist das bislang umfangreichste Verfahren dazu. Dem 44-jährigen Angeklagten werden mehrfache vollzogene und versuchte Verstösse gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb UWG in rund 1000 Fällen sowie Betrug vorgeworfen.

Der Mann soll ein ganzes Netz aus Strohfirmen und Strohmännern aufgezogen haben, um so aus dem Hintergrund Kaffeefahrten zu organisieren. Auf die Spur kamen ihm die Ermittler durch Zufall. Bei einer Hausdurchsuchung in Wallisellen ZH wurden kistenweise Unterlagen und Daten sichergestellt: Einladungen, Anmeldungen, Adresslisten, Touren- und Buchungslisten.

«Wundermittel» für 1000 Franken

Von dieser Liegenschaft aus soll der Angeklagte unter Namen wie «Freizeit und Reisen», «Grosses Weihnachtsgewinnspiel» oder «Spezialitätenland Deutschland» Kaffeefahrten mit falschen Gewinnversprechen organisiert und damit viel Geld verdient haben. Die Ermittler fanden auch eine Präsentation zu einem Grüntee-Extrakt mit gefälschten Studien und Zitaten. Dieses wurde den Teilnehmern der Kaffeefahrten gemäss Anklage als «Wundermittel EGCG» für rund 1000 Franken verkauft, bei einem tatsächlichen Wert von unter 40 Franken. Die Rechnungen für die verkauften Waren liess er über eine fiktive Firma laufen.

Der Staatsanwalt sprach von ausserordentlich schweren Verstössen gegen das UWG. Der Angeklagte habe äusserst verwerflich gehandelt, indem er auf ältere und schwache Menschen zielte. Zudem zeige er weder Einsicht noch Reue. Der Staatsanwalt fordert für die Verstösse gegen das UWG eine Freiheitsstrafe von 32 Monaten, 12 davon unbedingt, sowie eine Geldstrafe für den Betrug.

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Verteidigung will Freispruch

Der Verteidiger verlangte dagegen einen Freispruch in allen Punkten. Er zerpflückte die Anklageschrift und bezeichnete sie als «Katastrophe». Sie enthalte Vermutungen statt Fakten, die Fallzahlen seien bloss Hochrechnungen. Zahlreiche Tatbestände seien zu wenig belegt, mehrere Anklagepunkte aus formalen und rechtlichen Gründen unzulässig. Im Falle des Betrugs könne dem Angeklagten keine Arglist nachgewiesen werden, was laut Gesetz aber notwendig wäre. Am Ende bleibe von den Anklagepunkten nicht mehr viel übrig, sagte der Verteidiger.

Noch kein Urteil

Auf die Rolle des Angeklagten als Drahtzieher zahlreicher Kaffeefahrten ging sein Anwalt nicht ein. Dafür sagte er, es bestünden keinerlei Hinweise, dass die Teilnehmenden – auch ältere - nicht in der Lage gewesen seien, die angepriesenen Produkte zu hinterfragen. Niemand sei zum Kauf genötigt worden. Bei Kaffeefahrten sei allen Teilnehmenden bewusst, was einen erwarte. Schliesslich hätten die Medien oft darüber berichtet.

Sein Urteil wird das Landgericht Uri zu einem späteren Zeitpunkt schriftlich bekanntgegeben. Es gilt also weiterhin die Unschuldsvermutung.

Das Gericht tagte wegen der geltenden Abstandsregeln übrigens nicht im Gerichtsgebäude in Altdorf, sondern im Saal des Berufs- und Weiterbildungszentrums Uri.

Espresso, 12.05.20 08:13 Uhr

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