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Laut, politisch, alternativ Grabenhalle St. Gallen: 40 Jahre bewegte Kultur-Geschichte

1984 entstand in St. Gallen das Kulturlokal Grabenhalle, ein bedeutender Ort des Nachtlebens. Mit klaren Vorstellungen.

Das rote Gebäude am Rand der Altstadt gehört mittlerweile zum St. Galler Kulturinventar: die Grabenhalle. Doch die Geschichte des Hauses – heute nicht mehr aus dem städtischen Nachtleben wegzudenken – ist geprägt von Auseinandersetzungen.

Ehemals war die «Grabe» eine Turnhalle, die Anfang der 1980er-Jahre abgerissen werden und einer Parkgarage weichen sollte. Eine Interessensgruppe kämpfte für den Erhalt und die Nutzung als Konzertlokal. 1981 fand das erste Konzert statt: Schroeders Roadshow.

Die Grabenhalle früher und heute

Drei Jahre später wurde die Grabenhalle nach kurzer Umbauzeit eröffnet. Ein Raum für alternative Kultur war geboren. «Damals gab es wenig kritische und politische Kultur. St. Gallen war eine Art Brachland. Es gab vor allem eine ‹bürgerliche Hochkultur›, das Geld floss ins Museum und ins Theater», sagt Matthias Fässler, Teil des Betriebskollektivs.

Die alternative Kultur sei verschmäht worden, so Fässler. Zum Vergleich: Für den Grabenhallen-Umbau gab es von der Stadt 200'000 Franken, fürs Museum 5.5 Millionen Franken. Daraufhin formierte sich eine Protestgruppe, die sich gegen die ungerechte Verteilung der Kulturgelder wehrte. Nach zwei Jahren erhöhte die Stadt das Jahresbudget.

Ein herausforderndes, basisdemokratisches Kollektiv

Über die Jahre etablierte sich die Grabenhalle trotz Gegenwind im St. Galler Nachtleben. Verschiedene Veranstaltungen fanden statt: Tanz, Theater, Podiumsdiskussionen oder Konzerte, von Punk bis Reggae. 1989 spielten dort die Band Bad Religion ihr erstes Schweizer Konzert.

Es gibt 50 Chefinnen und Chefs.
Autor: Matthias Fässler Kollektivmitglied Grabenhalle St. Gallen

Bis heute sei die Grabenhalle ein unangepasster Ort, sagt Matthias Fässler. Verändert habe sie sich trotzdem, sie sei ruhiger und erwachsener geworden: «Früher war es wilder, chaotischer, vielleicht auch politisch kompromissloser. Und unprofessioneller. Die Grabenhalle, wie sie heute funktioniert, mit diesen Strukturen, ist heute ein anderer Ort. Wir stehen auf stabilen Beinen.»

Organisiert wird die Grabenhalle von einem Kollektiv mit über 50 Mitgliedern. Dies könne herausfordernd sein: «Das Kollektiv ist basisdemokratisch, aus Überzeugung. Möglichst viele Leute sollen möglichst gleichberechtigt mitreden können. Es gibt keinen Chef oder eine Chefin. Es gibt 50 Chefinnen und Chefs.» Zudem ist der Kulturort nicht kommerziell ausgerichtet, es besteht beispielsweise kein Konsumzwang.

Punkband Knöppel durfte nicht auftreten

Immer wieder gebe es Diskussionen, was die Kollektivmitglieder in der Grabenhalle wollen und was nicht. Vor einem Jahr entschied sich das Kollektiv gegen einen Auftritt der St. Galler Punkband Knöppel. Wegen der Stimmung an deren Konzerten, den Gästen und den Liedtexten.

Solche Diskussionen seien wichtig, auch für die Zukunft, so Fässler: «Die Grabenhalle soll dieser öffentliche Raum bleiben.» Ein öffentlicher Raum lebe durch einen niederschwelligen Zugang. «Und er lebt auch von der Veränderung. Die Halle soll ein Ort von Diskussionen, von Auseinandersetzungen und von möglichst aktueller, spannender Kultur bleiben.»

Zum Jubiläum feiert die Grabenhalle dieses Wochenende ein zweitägiges Festival im Stadtpark. «Der Ort ist nicht zufällig gewählt», sagt Fässler. «Es ist ebenfalls ein öffentlicher, zugänglicher Raum.» Wofür die Grabenhalle seit 40 Jahren steht und weitere 40 Jahre stehen will.

Regionaljournal Ostschweiz, 26.8.2024, 17:30 Uhr ; 

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