Zum Inhalt springen

Leben mit dem Wolf Albert Rösti: «Wir betreiben mit der Wolfsregulierung Prävention»

Der Bundesrat lockert den Wolfsschutz in der Schweiz. Ab dem 1. Dezember dürfen Wölfe neu geschossen werden, bevor sie einen Schaden anrichten – und zwar nicht nur einzelne Tiere, sondern ganze Rudel. Der Bundesrat hat festgelegt, dass mindestens 12 Rudel in der Schweiz leben sollen, heute sind es 32. Umwelt- und Artenschutzorganisationen kritisieren deshalb die neue Jagdverordnung. Bundesrat Albert Rösti nimmt dazu Stellung.

Albert Rösti

Bundesrat

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Albert Rösti ist seit 2023 Bundesrat und Vorsteher des Eidgenössischen Departments für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek). Er wurde 1967 geboren, studierte Agronomie an der ETH Zürich, erlangte 1997 den Doktortitel und machte 2001 und 2002 einen Master of Business Administration (MBA) an der Universität Rochester in den USA. Rösti war seit 2011 Nationalrat für den Kanton Bern und von 2016 bis 2020 Parteipräsident der SVP Schweiz.

SRF News: Kritiker Ihrer Wolfsstrategie sagen, der Wolfsbestand solle – wenn es nach Ihnen geht – «aufgrund einer Excel-Tabelle» reguliert werden und nicht anhand des tatsächlichen Schadenpotentials. Was sagen Sie dazu?

Albert Rösti: Der Wolfsbestand hat sich in kurzer Zeit, in weniger als drei Jahren, verdreifacht, mit entsprechendem Druck auf die Nutztierhalter. Es hat viele Schäden gegeben: Ziegen, Schafe und Alpakas, die von Wölfen gerissen wurden. Es muss reagiert werden, bevor die Alpen nicht mehr bestossen werden. Das Parlament hat vor einem Jahr entschieden, wir sollen nicht erst reagieren, wenn ein Schaden da ist, sondern schon vorher, wenn ein Schaden droht. Es ist Prävention, die wir hier betreiben, unter Berücksichtigung, dass die Art der Wölfe erhalten werden muss.

Es ist offensichtlich, dass ein Wolf oder ein ganzes Rudel entfernt werden muss, wenn er oder es für Tiere oder gar für Menschen eine Gefahr ist.

Neu können ganze Rudel abgeschossen werde. Ein Drittel der heute in der Schweiz lebenden Wölfe würde nach Ihren Vorgaben noch leben bleiben. Kann man der geschützten Spezies Wolf so gerecht werden?

Ja, wir wären dann noch über dem Bestand von 2020. Das wäre kein Problem. Aber es ist nicht so, dass einfach zwei Drittel der Tiere getötet werden können. Ein Rudel kann nur geschossen werden, wenn es eine Gefahr für Nutztiere oder für Menschen darstellt. Wie weit die Anzahl zurückgehen wird, wissen wir heute nicht. Wir gehen davon aus, dass Wölfe realisieren, dass sie gejagt werden und sich in den Wald zurückziehen. Diese genannte Mindestbestandszahl ist lediglich dazu da, die Art zu erhalten.

Was sagen Sie jenen, die der Meinung sind, dass so die Schutzbemühungen der letzten Jahre untergraben würden?

Dass es nicht stimmt. Es ist offensichtlich, dass ein Wolf oder ein ganzes Rudel entfernt werden muss, wenn er oder es für Tiere oder gar für Menschen eine Gefahr ist. Da sind wir uns alle einig. Wie gesagt: Nur dann kann ein Rudel getötet werden. Mit dieser Sichtweise und einer unteren Schwelle sichern wir den Bestand von 20 Rudeln. Man muss sich die Familienschicksale vorstellen, wenn sie laufend höhere Schäden an ihren Nutztierbeständen haben.

Das Schlimmste wäre, wenn Alpen wegen des Wolfs nicht mehr bewirtschaftet werden.

Erste Erhebungen zeigen, dass in diesem Jahr die Risszahlen tendenziell zurückgehen. Herdenschutz könne funktionieren, sagen die Wildtierschützer. Die Wölfe müssten nicht abgeschossen werden.

Diese Zahlen gilt es noch zu verifizieren. Wenn es wirklich so ist, ist es auch deshalb so, weil viele Alpen nach wenigen Tagen gar nicht mehr bewirtschaftet wurden. Das Schlimmste wäre, wenn Alpen wegen des Wolfs nicht mehr bewirtschaftet werden. Das darf nicht passieren.

Kritisiert wird auch, dass sich nicht alle dazu ausreichend hätten äussern können. Ist das jetzt der neue Expresszug des Umweltministers Rösti?

Ein Expresszug ist dann gerechtfertigt, wenn es ein dringendes Problem zu lösen gilt. Fragen Sie die Schaf- und Ziegenhalter, ob es dringend ist oder nicht. Das Schadenmass ist innerhalb von zwei Jahren von 400 Schäden auf über 1500 im Jahr 2022 gestiegen. Wir wollen die Art Wolf erhalten. Sie braucht deshalb eine gewisse Akzeptanz. Deshalb besser jetzt reagieren als zu spät.

Das Gespräch führte Isabelle Maissen.

Heute Morgen vom 02.11.2023. 06:00 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel