Schwingen, der Nationalsport der Schweiz, hat auch an der grössten Landwirtschaftsmesse des Landes seinen festen Platz. Das Olma-Schwinget findet alle drei Jahre statt, am Sonntag ist es wieder so weit. 90 Schwinger haben sich angemeldet, darunter auch sechs Eidgenossen. Und wie es die Tradition will, wird der Beste nach dem Schlussgang einen Stier mit nach Hause nehmen können.
Doch woher kommt die Tradition der sogenannten Lebendpreise? Wie steht es um das Tierwohl? Und ist die Tradition überhaupt noch aktuell?
Diese Fragen stellen sich nicht nur Tierschützerinnen und Tierschützer, sondern vermehrt auch die Schwinger selber. Klar ist: Lebendpreise haben im Schwingen eine lange Tradition. Sie lässt sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen. Schon damals habe es für die besten Schwinger Naturalpreise gegeben, erklärt Rolf Gasser, Geschäftsführer des Eidgenössischen Schwingerverbands.
Es ist schon so, dass der Stier, oder eben der Muni, ein Symbol für männliche Kraft ist.
Mit der Zeit seien die Preise aber immer grösser, schwerer und wertvoller geworden. 1926 habe der Sieger des Eidgenössischen noch ein Schaf gewonnen. 1961 sei für Schwingerkönig Karl Meli ein Rind bereitgestanden. «Siegermuni Kolin», den es am letzten Eidgenössischen in Zug zu gewinnen gab, wog 1.2 Tonnen und war 25'000 Franken wert.
Lieber das Geld als den Stier
«Es ist schon so, dass der Stier, oder eben der Muni, ein Symbol für männliche Kraft ist», sagt Gasser. Das sehe man auch in anderen Kulturen so. Gerade im asiatischen Raum gebe es im Ringsport oft Lebendpreise zu gewinnen. Ein Beispiel sei Ssireum in Südkorea, eine alte Form des Ringens. «Auch dort erhält der Sieger einen Stier.»
Von Mannskraft und Stieren
In der Schweiz sind Lebendpreise heutzutage weitgehend symbolischer Natur. Nicht einmal 10 Prozent von ihnen werden am Ende wirklich abgegeben. Da die Schwinger kaum mehr als Landwirte arbeiten, nehmen sie lieber den Gegenwert als Geld. So auch der dreifache Schwingerkönig Jörg Abderhalden. Er hat in seiner Karriere rund 80 Tiere gewonnen: «Mit nach Hause genommen habe ich kein einziges. Die gingen alle zurück an den Züchter.»
Für Abderhalden gehören die Lebendpreise trotzdem zum Schwingen dazu. Die Sponsoren etwa hätten so eine Möglichkeit, sich zu repräsentieren. Die Tiere dürften aber nicht unter Stress gesetzt werden, betont Abderhalden.
Im Stall laut Radio hören
Das bedeutet vor allem, den Tieren den Gang durch die Arena zu ersparen. Sie bleiben während des Wettkampfs ausserhalb in einem Gehege und posieren am Schluss kurz mit den Siegern und den Sponsoren für ein Foto. Für Christian Manser vom landwirtschaftlichen Zentrum Flawil ist zudem wichtig, dass man die Tiere richtig vorbereitet. Vor allem müssten sie an Lärm und Leute gewöhnt werden. «Das geht am besten, indem man zu Hause im Stall laut Radio hört. Damit gewöhnt man die Tiere an fremde Geräusche.»
Grundsätzlich denke ich, dass lebende Tiere keine Geschenke sein sollten.
Dass die Tiere nicht mehr zwingend in die Arena müssen, kommt auch den Forderungen des Tierschutzes entgegen. Trotzdem: Für die Tiere bedeute ein Ausflug an ein Schwingfest fast immer Stress, sagt Julika Fitzi-Rathgen vom St. Galler Tierschutz. «Grundsätzlich denke ich, dass lebende Tiere keine Geschenke sein sollten.»
Stier «Sämi» wartet derweil im Olma-Stall auf den Sieger des Olma-Schwinget. Am Sonntag steht der Gewinner fest. Wird dieser das Tier nach Hause nehmen?