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Lehrer unter Stress «Die Forderung nach kleineren Klassen ist illusorisch»

Lehrer sind am Anschlag – am Rande der Erschöpfung. Das zeigen Untersuchungen zum Gesundheitszustand der Lehrkräfte. Nun wehren sie sich: Am Wochenende haben sie zusammen mit dem Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) einen Vorstoss lanciert. Darin fordern sie kleinere Schulklassen, weniger administrative Arbeiten und bessere Bedingungen.

Silvia Steiner (CVP) ist Präsidentin der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren EDK und Bildungsdirektorin des Kantons Zürich. Im Gespräch bemängelt sie, dass die Lehrerinnen und Lehrer vorhandene Hilfsangebote nicht wahrnehmen würden.

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Lehrpersonen fordern bessere Arbeitsbedingungen
aus SRF 4 News aktuell vom 19.03.2018.
abspielen. Laufzeit 7 Minuten 53 Sekunden.

SRF News: Lehrkräfte müssen immer mehr leisten. Ist das Fuder definitiv überladen?

Silvia Steiner: Die Lehrpersonen haben heute andere Lehraufgaben als früher. Was sich verändert hat, ist sicher, dass sich das Wissen schneller verändert. Und: dass die Eltern höhere Ansprüche stellen und die Kinder heute auch viel individueller unterrichtet werden. Diese Aspekte bedeuten für Lehrerinnen und Lehrer eine grosse Herausforderung in ihrem Berufsalltag.

Man muss allerdings auch sagen, dass die Lehrpersonen Ehrgeiz haben. Sie wollen das Bestmögliche für ihre Schüler bieten. Das mit so einer Arbeitshaltung natürlich auch gewisse Risiken, beispielsweise das Risiko eines Burn-Out verbunden ist, scheint mir auf der Hand zu liegen.

Haben Sie da nicht Verständnis, wenn sie bessere Arbeitsbedingungen fordern?

In vielen Berufen wird die Belastung als hoch eingestuft. Das ist nicht nur bei den Lehrerinnen und Lehrern so. Wir sehen das auch in den Pflegeberufen. Bei den Lehrpersonen ist derweil nicht nur die Belastung hoch, sondern auch die Arbeitszufriedenheit.

Ein Drittel der Lehrkräfte ist Burn-Out-gefährdet. Das hat eine Untersuchung des Nationalfonds gezeigt. Machen die Lehrkräfte etwas falsch, oder ist eben doch der Wurm im System?

Das glaube ich nicht. Wir müssen dort ansetzen, wo es um die Sensibilisierung der Lehrer selber geht. Sie müssen ja selber merken, wenn es ihnen nicht mehr gut geht, und dann die nötigen Beratungsangebote in Anspruch nehmen. Solche Beratungsinstrumente haben viele Kantone und Gemeinden in der Schweiz. Man kann dort die Lehrpersonen wirklich gezielt unterstützen, aber eben nur, wenn sie sich melden. Mit den sogenannten geleiteten Schulen haben wir noch ein weiteres Instrumentarium. Unser Ziel wäre es eigentlich, die Schulleitung auch zu befähigen, ihre Führungsrolle wahrzunehmen und die Lehrpersonen zu unterstützen.

Müssten nicht präventive Massnahmen ergriffen werden? So wie die Lehrer das jetzt auch fordern?

Es sind bereits viele Beratungsinstrumente vorhanden. Unser Problem ist einfach, dass die Betroffenen diese Beratungsinstrumente nicht in Anspruch nehmen. Hier wollen wir ansetzen. Wir möchten die Betroffenen sensibilisieren und sie dazu befähigen, Hilfe von aussen anzunehmen und zu erkennen, wann sie benötigt wird.

Die Forderung nach kleineren Klassen ist politisch eigentlich noch nie mehrheitsfähig gewesen und das wird es auch in Zukunft nicht sein.

Der VPOD hingegen verlangt kleinere Schulklassen. Ist diese Forderung illusorisch?

Ich glaube, diese Forderung ist illusorisch. Die Forderung nach kleineren Klassen ist politisch eigentlich noch nie mehrheitsfähig gewesen, und das wird sie auch in Zukunft nicht sein. Die Klassengrösse ist in den meisten Kantonen per Gesetz geregelt.

In vielen Kantonen laufen Spar- und Abbau-Programme in den Schulen. Müssten die Kantone nicht stattdessen besser in die Bildung investieren?

Es ist zu einfach zu sagen, ‹es wird in der Bildung gespart›. Wenn das Gemeinwesen spart oder gewisse Leistungen hinterfragt, redet man gleich von Sparen. Ich glaube, dass auch ich als Regierungsrätin im Kanton Zürich eine Verantwortung für die Steuergelder habe und sie so gut wie möglich einsetzen möchte. Das heisst nicht, dass ich die Bildung tot spare, sondern dass man vielleicht gewisse Ausgaben hinterfragt und versucht, die Gelder bestmöglich einzusetzen. Man darf nicht vergessen, dass in die Bildung ein grosser Teil der öffentlichen Ausgaben fliesst. Ich finde auch wichtig, das einzelne Bereiche nicht gegeneinander ausgespielt werden, wie die Bildung gegen das Sozialwesen. Das wäre fatal.

Es ist in unserer Gesellschaft ein Fakt, dass eine Autorität wie die Lehrperson eben keine Autorität mehr ist.

Der VPOD verlangt weiter mehr Anerkennung für den Lehrer-Beruf. Was werden sie diesbezüglich ganz konkret unternehmen?

Ich glaube, dass ich hier gar nicht so viel unternehmen muss. Meine Lehrpersonen können sich ihrer Anerkennung ganz gewiss sein. Ich glaube auch, dass viele Kantone sehr gute Besoldungsreglemente haben. Es ist in unserer Gesellschaft ein Fakt, dass eine Autorität wie die Lehrperson eben keine Autorität mehr ist. Das Wissen hat sich verändert. Was heute wahr ist, gilt morgen nicht mehr. Das hat auch Auswirkungen auf die Anerkennung oder Wertschätzung gegenüber gewissen Berufen. Im Rahmen der jährlichen Erhebungen im Kanton Zürich bei den Schulen und den Eltern muss man aber sagen, dass die Zufriedenheit mit der Volksschule bei den Eltern sehr hoch ist. In der Öffentlichkeit gibt es darüber ein anderes Bild.

Das Gespräch führte Claudia Weber.

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