Zum Inhalt springen

Lehrkräftemangel an Schulen Wer eine Lehrperson bringt, kriegt Geld

Die vielen offenen Stellen lassen die Gemeinden und Kantone kreativ werden. Das Geld spielt dabei eine grosse Rolle.

Allein im Kanton Zürich fehlen aufs neue Schuljahr hin über 600 Lehrerinnen und Lehrer. Der Mangel an Lehrpersonen ist zwar nicht neu, er scheint in diesem Jahr aber besonders ausgeprägt zu sein. Deshalb greifen die Schulgemeinden und Kantone zum Teil zu unkonventionellen Mitteln.

Heiden mit «Kopfgeld»

Früher waren in Heiden in Appenzell Ausserrhoden Spontanbewerbungen an der Volksschule gang und gäbe, sagt Schulpräsident Hans-Peter Hotz. «Jetzt haben wir Stellen ausgeschrieben und es kommt keine oder keine brauchbare Bewerbung.» Das sei für ihn neu. Aktuell ist in Heiden noch eine Stelle offen. Eine zweite konnte besetzt werden, weil die Schulgemeinde eine Prämie von 1000.- für die Vermittlung einer Lehrperson aussetze. Es gab einen Hinweis, der zum Vertrag führte.

Schaffhausen sucht langfristige Lösungsansätze

«Es braucht ungewohnte Wege, um der angespannten Situation zu begegnen», sagt Ruth Marxer, Leiterin Volksschulen im Erziehungsdepartement des Kantons Schaffhausen.

In Workshops wollen wir herausfinden, wo der Schuh drückt.
Autor: Ruth Marxer Leiterin Volksschulen Erziehungsdepartement Kanton Schaffhausen

Workshops sollen helfen, Problemfelder zu erkennen und zu beheben. Einige Probleme sind dem Schaffhauser Erziehungsdepartement bereits bekannt: zu tiefe Ansätze bei Stellvertreterlöhnen, Lohnabzüge bei fehlendem Abschluss in einzelnen Fachbereichen, Weiterbildungsprogramme.

Berufsbild heute

Box aufklappen Box zuklappen
  • Lehrpersonen wollen flexibel sein und machen deshalb lieber Stellvertretungen als die Verantwortung als Klassenlehrperson zu übernehmen.
  • Neben dem Unterrichten gibt es einen beachtlichen Teil an organisatorischen Arbeiten zu erledigen.
  • Die Anforderungen seitens Gesellschaft sind gestiegen.
  • Es braucht vermehrt rechtliche Abklärungen im Umgang mit den Eltern.
  • Die Stellvertreterlöhne sind aus Sicht der Schaffhauser Erziehungsdepartements zu tief.
  • Lehrpersonen müssen teilweise mit Lohnabzügen rechnen, weil in einzelnen Fachbereichen Abschlüsse fehlen.

«Schule geben ist streng wegen dem Drum-und-Dran», sagt eine Lehrerin, die in einem Workshop des Kantons mitgemacht hat. «Die Anforderungen der Gesellschaft nehmen einem weg vom Unterrichten», so die Lehrerin weiter.

Schnellbleiche «ready for teaching»

Nebst dem sogenannten Attraktivierungsprogramm, das über Workshops mit Lehrpersonen, Schulleitenden und Mitarbeitenden der Pädagogischen Hochschule erarbeitet werden soll, werden im Kanton Schaffhausen neu auch Lehrpersonen ohne pädagogischen Abschluss eingestellt. In einem Intensivkurs «ready for teaching» werden sie fürs Schulzimmer fit gemacht.

Das ist eine Notmassnahme in einer Notsituation.
Autor: Dagmar Rösler Präsidentin Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz

Dagmar Rösler, Präsidentin Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz sagt: «Das ist eine Notmassnahme in einer Notsituation». Personen ohne pädagogische Ausbildung anzustellen, sei nicht zufriedenstellend, aber kurzfristig nicht zu umgehen. Langfristig brauche es andere Massnahmen.

Lehrpersonen-Tourismus darf nicht sein

Eine Harmonisierung der Löhne findet Rösler nicht das Ziel, auch wegen der unterschiedlichen Lebenshaltungskosten in den einzelnen Regionen: «Ein gewisses Angleichen macht hingegen durchaus Sinn.» Der Tourismus sollte eingedämmt werden. Allerdings zeige sich, dass auch hohe Löhne nicht davor schützen, keine Lehrpersonen zu finden, so Dagmar Rösler.

Die Erziehungsdirektoren der Kantone St. Gallen, Thurgau, beider Appenzell, Graubünden, Zürich, Schwyz und des Fürstentums Liechtenstein haben sich kürzlich auf vermehrte Absprachen geeinigt, um eben einen solchen Lehrpersonen-Tourismus zu unterbinden. «Wir dürfen uns nicht gegenseitig konkurrenzieren», sagt der Präsident der EDK-Ost, der Ausserrhoder Bildungsdirektor Alfred Stricker.

Beispiele von Lösungsansätzen

Box aufklappen Box zuklappen
  • Die Schulgemeinden suchen mit singenden Klassen oder Aufrufen von Schulkindern in sozialen Medien coole Lehrerinnen und Lehrer.
  • Pensionierte, frühpensionierte und ehemalige Lehrpersonen werden reaktiviert.
  • Es darf über 100 Prozent gearbeitet werden.
  • Studierende der PH Thurgau können ihr Studium beispielsweise in Teilzeit absolvieren und gleichzeitig unterrichten.
  • Selbst der Zentralschweizer Kanton Luzern sucht Lehrpersonen im benachbarten Ausland.
  • Der Kanton Schaffhausen bietet Intensivkurse für Quereinsteiger an und betreut diese anschliessend engmaschig.

Ob es hilfreich wäre, Kleinstpensen zu verbieten und die Arbeit damit auf weniger Personen zu verteilen – die oberste Schweizer Lehrerin Dagmar Rösler zweifelt diesen Vorschlag an. «Da besteht auch die Gefahr, dass man Personen aus der Schule vertreibt, die jetzt ihren Beitrag leisten, aber kein höheres Pensum annehmen können.»

Schweiz aktuell, 13.06.2022, 19:00 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel