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Lehrkräftemangel Nachwuchs-Lehrkräfte unterrichten in Basel schon nach einem Jahr

Angehende Lehrerinnen und Lehrer stehen schon nach zwei Semestern pädagogischer Basisausbildung alleine vor Klassen.

Weil Lehrerinnen und Lehrer fehlen, sind auch Quereinsteigende mit anderer Berufserfahrung zunehmend gefragt. Pädagogische Hochschulen bieten spezielle Lehrgänge an, zum Beispiel die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). Sie macht aus Floristinnen, Buchbindern oder Verkäuferinnen innert drei bis viereinhalb Jahren neue Lehrerinnen und Lehrer.

Lehrer vor Wandtafel
Legende: Benjamin Trüssel unterrichtet während seiner Quereinsteiger-Ausbildung Mathematik und Zeichnen an der Sekundarschule in Basel mit einem 40-Prozent-Pensum. Gelernt hatte er einst Buchbinder. SRF/Nina Gygax

Die drei Pädagogischen Hochschulen von Bern, Zürich und der Nordwestschweiz locken Quereinsteigende mit Lehrgängen an, die unter anderem Teilzeitjobs bereits nach einem Jahr Basisausbildung bieten. Das gleiche Angebot gibt es ab Herbst auch in St. Gallen und im Thurgau. Der Vorteil davon sei, dass die Interessierten sehr früh Unterrichtspraxis gewinnen, erklärt Philipp Hirsch, Leiter Lehr- und Curriculumsentwicklung der FHNW.

Nach einem Jahr Ausbildung vor der Klasse

Das vor drei Jahren eingeführte Modell ist inzwischen so beliebt, dass es die FHNW auf alle Lehrpersonen-Ausbildungsgänge ausweitet. Künftig stehen damit normale junge Nachwuchs-Lehrerinnen und -Lehrer ohne sonstige Berufserfahrung bereits nach zwei Jahren vor Schulklassen.

Laut der Erziehungsdirektorenkonferenz EDK absolvieren in mehreren Kantonen normale PH-Studierende Praktika vor Klassen, etwa in Bern oder Thurgau. Neu am FHNW-Modell sei aber die enge Begleitung dieses frühen Berufseinstiegs in einem eigenen Ausbildungsmodell.

So sehen sie, ob das der richtige Beruf ist für sie oder nicht.
Autor: Urs Bucher Leiter Volksschulen Kanton Basel-Stadt

Dieses Modell funktioniert dank Teilzeitstellen, welche die Kantone anbieten. Urs Bucher, Leiter der Volksschulen in Basel-Stadt, begrüsst sehr, dass angehende Lehrpersonen früh Kontakt haben mit den Klassen, dem Unterrichten und der Praxis – auch «damit sie sehen, wie das ist und auch von sich aus entscheiden können, ob das der richtige Beruf ist für sie oder nicht».

Lehrpersonen unterrichten vielerorts schon während der Ausbildung

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Laut dem Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH ist es heute gängige Praxis, dass Studierende an den Pädagogischen Hochschulen (PH) während ihrer Ausbildung bereits in einem Teilpensum unterrichten. Dies gelte auch für PH-Studierende, die einen regulären Studiengang gewählt haben, schreibt der LCH auf Anfrage.

Die Palette von Angeboten für Quereinsteigende sei breit: Beispielsweise biete die PH Zürich ein Quereinsteiger-Programm an, das in zwei Jahren in Vollzeit oder in drei Jahren in Teilzeit (ab September 2025) absolviert werden könne. Bei der Teilzeit-Variante werde eineinhalb Jahre ein berufsintegriertes Studium mit etwa einem halben Pensum kombiniert mit einer Teilzeitanstellung von 40 bis 60 Prozent als Co-Klassenlehrperson absolviert.

An der PH St. Gallen können sich Interessierte laut LCH in zwei Jahren zur Lehrperson Kindergarten und Primarstufe ausbilden lassen, wobei im zweiten Jahr berufsintegriert studiert werde. Ähnlich sehe es an der PH Thurgau aus. Die PH Bern bietet seit kurzem gar einen bezahlten Teilurlaub für Lehrkräfte ohne adäquate Ausbildung an.

Praxis etabliert sich

In Basel-Stadt und Baselland als Mit-Trägerkantonen der FHNW unterrichten derzeit insgesamt 41 Quereinsteigende an Volksschulen. Im Baselbiet sind es 23 auf Primar- und fünf auf Sekundarstufe I, in Basel-Stadt 13 in Kindergärten, Primarschulen und auf Sek-Stufe.

Das Bundesamt für Statistik stellte in einer Studie vor zwei Jahren fest, dass im Zeitraum von 2014 bis 2020 insgesamt jeweils um die 150 Quereinsteigende Studiengänge für den Lehrberuf abschlossen (mit einem Ausreisser nach oben im 2016 mit 217 Abschlüssen). Meist entfiel mehr als die Hälfte davon auf die Ostschweiz. 2012 hatte die EDK wegen des Lehrkräftemangels die Ausbildungswege für Quereinsteigende weiterentwickelt.

Bucher glaubt nicht, dass Leute ohne Berufserfahrung zu jung sein könnten, um vor eine Klasse zu treten, und die Unterrichts-Qualität leiden könnte. «Das kann gelingen. Wir dürfen unseren jungen Leuten viel zumuten und auch zutrauen.»

An Quereinsteigenden schätze er ausserdem, dass sie etwas aus einem anderen Beruf mit in die Schule bringen: «Die stehen schon mit beiden Beinen im Leben.»

Klasse im Schulzimmer
Legende: Angehende Lehrkräfte können an der FHNW ihren Praxis-Check von Schulklassen bereits nach zwei Semestern Basisausbildung erleben. (Symbolbild) Keystone/Gaetan Bally

Benjamin Trüssel ist einer der Quereinsteiger vor der Wandtafel: Als gelernter Buchbinder habe er in den Verkauf gewechselt und Videospiele verkauft. Er bringe so das Wissen mit, welche Filme Jugendliche schauten und welche Games sie spielten.

Seine Motivation für den Lehrberuf erklärt er auch mit der Verantwortung: «Die Schulzeit ist eine prägende Zeit. Ein Teil davon zu sein, finde ich sehr spannend und sehr schön.»

In einer Woche Unterrichten lernt man mehr als in einem Jahr Studieren.
Autor: Benjamin Trüssel Quereinsteiger-Sek-Lehrer in Basel

Trüssels Fazit nach bald zwei Jahren Teilzeit-Lehrerschaft neben der Ausbildung: «In einer Woche Unterrichten lernt man mehr als in einem Jahr Studieren.» Zwar steht er alleine vor der Klasse, wird aber unterstützt von einem erfahrenen Lehrerkollegen, der ihm Tipps und Tricks mitgibt.

Nachteile sieht der fortgeschrittene Quereinsteiger Trüssel schon: Er müsse mit wenig Lohn durchkommen und habe mit rund 60 Wochenstunden eine grosse Arbeitsbelastung – gerade weil er alles das erste Mal mache und so nicht in eine Schublade greifen könne. Zudem dauert das Praxismodell etwas länger als die Standard-Ausbildung. Philipp Hirsch von der FHNW räumt ein, dass die Ausbildung zur Lehrkraft anspruchsvoll sei. Ansprüche für Quereinsteiger zu senken sei nicht möglich, denn Ziel sei ja ein anerkanntes Diplom.

Korrektur

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In einer früheren Fassung dieses Artikels stand, Nachwuchs-Lehrkräfte ohne sonstige Berufserfahrungen würden neu nach zwei Semestern vor Klassen stehen. Das stimmt so nicht. Korrekt ist, dass diesen zwei Semestern des betreffenden Studiengangs noch ein Jahr Grundausbildung vorausgeht; so stehen sie nach vier Semestern vor die Klassen, also nach zwei Jahren.

Regionaljournal Basel, 23.4.2024, 17:30 Uhr ; 

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