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Lehrpersonen am Ende Druck auf die integrative Schule wächst

In Basel will eine Initiative Verbesserungen. Andere Kantone diskutieren die Rückkehr zu Kleinklassen.

Die Idee der integrativen Schule sei wunderbar, die Umsetzung hingegen nicht. Solche Aussagen hört man oft – auch von Lehrpersonen, die dem Grundgedanken der integrativen Schule eigentlich positiv gegenüber stehen.

Was ist die integrative Schule?

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Ziel der integrativen Schule ist es, möglichst alle Kinder in Regelklassen zu unterrichten. Auch Kinder mit Behinderungen sollen so – wenn immer möglich – an ihrem Wohnort, zusammen mit den Nachbarskindern die Schule besuchen. Damit alle Kinder weiter kommen, sind in Klassen mit sogenannten Integrationskindern zusätzlich Heilpädagoginnen im Klassenzimmer.

Die Umsetzung ist Sache der Kantone. Basel-Stadt hat im Zuge der integrativen Schule die Kleinkassen vollständig abgeschafft, andere Kantone haben trotz integrativer Schule Kleinklassen beibehalten.

Besonders laut sind solche Stimmen derzeit in Basel: Eine Initiative aus Kreisen des kantonalen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes verlangt gar eine Reform der integrativen Schule. Sie will spezielle Förderklassen in den Schulhäusern. Kinder, denen das Lernen im grossen Verband der Regelklasse Mühe bereitet, sollen in die Förderklasse wechseln – zumindest für einen gewissen Zeitraum von einem oder zwei Jahren.

Schulheft Mathe, Kind von hinten, es beugt sich über die Aufgaben.
Legende: Einige Kinder lernen problemlos und können Aufgaben bald alleine lösen. Andere brauchen mehr Förderung. Das kann Klassenlehrpersonen überfordern. Keystone/Gaetan Bally

Ziel der Initiative sei es nicht, erneut Kleinklassen in Basel-Stadt zu installieren, sagt Marianne Schwegler. Sie ist Mitglied des Initiativkomitees und unterrichtet an einer Primarschule. «Unsere Initiative soll die integrative Schule erweitern. Sie soll passende Angebote schaffen für jene Kinder, die in grossen Gruppe überfordert sind.»

Auch Initiative setzt auf Separation

Zum vorherigen Modell will die Initiative zwar nicht zurück und auch Kleinklassen sind nicht ihr Ziel. Dennoch will sie eine neue Art der Separation: An den einzelnen Schulen sollen Förderklassen entstehen. Kinder, die verhaltensauffällig, in ihrer Entwicklung verlangsamt, behindert oder schlicht neu in einem deutschsprachigen Land sind, sollen während einer definierten Zeit in diesen Förderklassen unterrichtet werden. Danach sollen sie zurück in die vorherige Klasse, sofern dies möglich ist.

Wir sagen den Kindern: Hier hast Du keinen Platz. Das finde ich problematisch.
Autor: Nadine Bühlmann Primarlehrerin

Primarlehrerin Nadine Bühlmann hat damit ein Problem. Man sage Kindern «hier hast Du keinen Platz.» Und dann schicke man sie in eine spezielle Klasse. «Das finde ich problematisch.» Zudem sei es schwierig, Kinder in die Regelklasse zurückzubringen.

Kind streckt im Unterricht auf, man sieht nur die Hand des Kinder scharf und erahnt, dass auch andere aufstrecken.
Legende: «Ich habe diese Initiative aus Not unterschrieben», sagte eine Lehrerin anlässlich des Stadtgesprächs des Regionaljournals Basel. KEYSTONE/DPA/Marijan Murat

Trotz Kritik an der Förderklassen-Initiative stösst diese in andern Kantonen auf Interesse. Die integrative Schule steht nämlich längst nicht nur in Basel in der Kritik.

Fragezeichen in anderen Kantonen

So hat im Kanton Luzern kürzlich eine FDP-Kantonsrätin einen Vorstoss eingereicht, der die Wiedereinführung von Kleinklassen prüfen will. Würden lernschwache und verhaltensauffällige Kinder in Kleinklassen unterrichtet, würde mehr Ruhe in Regelklassen einkehren, begründet sie.

Neue Separation: Förder- statt Kleinklassen

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Die Basler Förderklassen-Initiative will, dass es neben den Integrationsklassen wieder heilpädagogisch geführte Förderklassen gibt. Diese sollen Kinder besuchen, die kleinere Lerngruppen benötigen.

Zudem sollen die heilpädagogischen Schulen ausgebaut werden. «Gemäss einer Studie des Schweizer Lehrerverbands sehen 90 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer Verhaltensauffälligkeiten von Schülern als ein Hauptproblem ihres Berufsalltags», heisst es im Initiativtext.

«In besonderen Situationen muss es laut dem langjährigen ehemaligen Lehrerverbandspräsidenten Beat Zemp deshalb trotz integrativer Schule möglich sein, verhaltensauffällige Schüler nach einer sorgfältigen Abklärung in Sonderklassen zu separieren.»

Ein weiteres Beispiel ist Schwyz. Ein SVP-Politiker will von der Regierung wissen, ob die integrative Schule verantwortlich für den Mangel an Lehrpersonen sei.

Bestrebungen diesbezüglich gibt es auch im Kanton Bern. Der Berner Verband der Lehrkräfte will allerdings nicht erneut Kleinklassen einführen. Viel mehr möchte er, dass die Regelklassen kleiner werden. «Nur so können die Lehrpersonen der Vielfalt der Kinder gerecht werden», begründet er seine Haltung.

Ob Basel Förderklassen einführen wird, ist noch offen. Die Basler Regierung will an der integrativen Schule festhalten. Dennoch stosse das System «an Grenzen und bedarf einer Weiterentwicklung», teilt sie mit. Dafür will sie 16,2 Millionen Franken ausgeben.

Dieses Geld soll für Förderklassen oder Fördergruppen sowie für Lerninseln eingesetzt werden, falls dies die Lehrpersonen wünschen. Förderklassen wären separativ, also eigene Klassen. Fördergruppen hingegen sind nur teil-separativ, wie die Regierung schreibt. Lerninseln sind für Kinder gedacht, die sich «akut schwierig verhalten», also nur für kurze Dauer.

SRF1 Regionaljournal Basel, 16.05.2023, 17:30 Uhr ; 

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