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LGBTQI* im Gefängnissen Trans Frau im Männergefängnis

Trans Menschen in Haft stellen den Justizvollzug vor eine neue Herausforderung. Soll eine trans Frau in ein Männer- oder in ein Frauengefängnis? Diese Personen sind im Gefängnis gefährdet: Es droht Diskriminierung und Gewalt. Ein aktueller Fall dokumentiert die Suche nach Lösungen.

Treffen mit einer trans Frau in Untersuchungshaft. Gegen sie läuft ein Strafverfahren wegen Brandstiftung und Sachbeschädigung. Die Gefangene wurde mit als männlich geltenden körperlichen Geschlechtsmerkmalen geboren, identifiziert sich aber als Frau.

Das Interview findet im Gefängnis Dielsdorf (ZH) statt. Ein reines Frauengefängnis. «Als ich hierherkam, war das wie eine andere Welt», sagt sie. «Die meisten Frauen haben nach ein oder zwei Stunden verstanden, dass ich eine Frau bin», sagt sie gegenüber der «Rundschau».

Simone Keller-da Cunha Sarandão leitet das Gefängnis Dielsdorf. Sie hat die trans Frau in ihrer Anstalt aufgenommen: «Es geht um die Identität», sagt die Gefängnisleiterin. «Die Frau hat keine geschlechtsangleichenden Massnahmen vorgenommen. Aber für uns ist sie eine Frau.» Die trans Frau sei von den anderen Frauen zu Beginn gut akzeptiert worden: «Sie wurde als Frau unter Frauen angeschaut.»

«Wir waren nicht bereit»

Nach ihrer Verhaftung im September 2021 kam die trans Frau ins Untersuchungs- und Strafgefängnis Stans (NW). Ein reines Männergefängnis. «Wir wussten, dass es so eine Situation geben kann. Wir waren aber überrascht, dass es für uns so schnell ging», sagt Gefängnisleiter Stephan Rohr.

Durch die zuständige Staatsanwaltschaft sei ihm mitgeteilt worden, die verhaftete Person wolle als Frau angeredet werden. Für das Gefängnis eine Herausforderung: «Wir waren nicht bereit», sagt Rohr.

Trans Frau in Einzelhaft

Die Konsequenz: Die Gefangene wollte im Männergefängnis in Einzelhaft bleiben, wurde von den Männern abgeschirmt. Zwar konnte sie die Bibliothek mehr als die gefangenen Männer nutzen, hatte aber ausschliesslich Kontakt zum Personal. «Das geschah auch auf ihren Wunsch», sagt Stephan Rohr.

Aber es ging auch um die Sicherheit der trans Frau. «Von den personellen Ressourcen her hätten wir eine Gemeinschaft gar nicht durchführen können. Solche Situationen bedingen ein höheres Personalaufkommen, es braucht eine engere Betreuung.»

«Ich war die ganze Zeit alleine», sagt die trans Frau. «Ich war drei-vier Monate, 24 Stunden, in meiner Zelle.»

Trans Personen verletzlich und gefährdet

Die Betreuung von LGBTIQ*-Personen im Freiheitsentzug: Ein Grundlagenpapier für Gefängnisse gibt es erst seit letztem Jahr. Es sind Empfehlungen, auch für den Umgang mit trans Personen.

Die Leiterin des Frauengefängnis' in Dielsdorf, Simone Keller-da Cunha Sarandão, hat daran mitgearbeitet und schult nun zusammen mit einer Arbeitsgruppe das Personal in anderen Gefängnissen. Denn: Insbesondere trans Personen sind laut Grundlagenpapier im Freiheitsentzug vulnerabel und brauchen besonderen Schutz vor verbaler, psychischer, körperlicher oder sexueller Gewalt. Sowohl vonseiten der Insassen als auch vom Justizpersonal.

Transfeindliche Äusserungen

Doch Lösungen zu finden ist nicht leicht. Denn nur die Verlegung in ein Frauengefängnis reicht manchmal nicht. Im konkreten Fall wurde die trans Frau von zwei anderen Frauen verbal mit transfeindlichen Äusserungen angegriffen. «Als es zu grob wurde, konnten wir sie in einer anderen Abteilung unterbringen», sagt Gefängnisleiterin Simone Keller-da Cunha Sarandão. «Es galt auch hier der Grundsatz der Nulltoleranz bei Diskriminierung.»

Mittlerweile ist die trans Frau zurück im Männergefängnis – auf eigenen Wunsch. Die Rückversetzung habe nichts mit den transfeindlichen Äusserungen zu tun. Die Unterbringung sei nur vorübergehend, bis ein neuer geeigneter Platz gefunden wird.

«Rundschau»

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«Rundschau»

Mehr zum Thema in der « Rundschau » um 20.05 Uhr auf SRF 1.

SRF Rundschau, 23.11.2022, 20:05 Uhr

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