Wer auf Facebook einen ehrverletzenden Beitrag «liked» oder «shared» kann sich der üblen Nachrede strafbar machen. Das hat das Bundesgericht am Donnerstag entschieden.
Was bedeutet das Urteil konkret? Wie hoch ist die Hürde einer möglichen Verurteilung? Rechtsanwalt Martin Steiger schätzt für SRF das Urteil ein.
SRF News: Wie begründet das BGer dieses Urteil?
Martin Steiger: Gemäss dem Urteil des Bundesgerichts gilt die Weiterverbreitung einer üblen Nachrede im Sinn von Artikel 173 Ziffer 1 Absatz 2 des Strafgesetzbuches (StGB) als eigenständiges Delikt. Sowohl das Drücken des «Gefällt mir»-Buttons, als auch das Drücken des «Teilen»-Buttons auf Facebook können zur besseren Sichtbarkeit und damit zur Verbreitung des markierten Beitrags im sozialen Netzwerk führen. Allerdings muss jeder Fall einzeln betrachtet werden. Denn von Gesetzes wegen ist es erforderlich, dass der «gelikte» oder geteilte Beitrag einem Dritten mitgeteilt wird.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit der Strafbestand der üblen Nachrede erfüllt ist?
Der Strafbestand geht beim Liken und Teilen auf den ursprünglichen Beitrag zurück. Das heisst: Wenn der gelikte oder geteilte Beitrag den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllt, kann das Liken oder Teilen strafbar sein.
Die Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung ist hoch.
Allerdings macht das Bundesgericht zwei Einschränkungen: Einerseits muss der gelikte oder geteilte Beitrag für einen erweiterten Empfängerkreis sichtbar sein, also über den ursprünglichen Kreis der Abonnenten oder Freunde hinausgehen. Andererseits weist das Bundesgericht darauf hin, dass ein Like nicht immer eine Wertung darstellen muss. Es führt beispielhaft aus, dass Eltern oft alle Beiträge ihrer Kinder kritiklos liken.
Das heisst also, dass nicht jeder «gelikte» ehrverletzende Beitrag automatisch strafrechtliche Konsequenzen hat?
Genau, es braucht den Strafantrag einer betroffenen Person. Danach muss der Einzelfall geprüft werden. Die Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung ist allerdings hoch. Auch bei einem Freispruch ist ein Strafverfahren aufwendig und belastend.
Wie schätzen Sie die Bedeutung dieses Urteils ein?
Das Urteil beantwortet wichtige offene Fragen im Social-Media-Recht und verbessert die Rechtssicherheit. Schade ist, dass sich das Bundesgericht nicht dazu äussert, ob Facebook oder generell soziale Medien als «Medium» im strafrechtlichen Sinn gelten können.
Dies würde nämlich bedeuten, dass grundsätzlich nur die Autorin oder der Autor des fraglichen Beitrags strafrechtlich belangt werden könnte (sogenanntes Medienprivileg).
Was heisst das für andere soziale Medien?
Das Urteil ist auf andere soziale Medien, wo gelikt und geteilt werden kann, übertragbar. Dazu zählen zum Beispiel Instagram, LinkedIn, TikTok und Twitter. Allerdings ist zu beachten, dass viele Plattformen inzwischen differenzierte Like-Varianten anbieten und es nicht mehr bloss «Daumen hoch» gibt.
Das Gespräch führte Catherine Thommen.