Darum geht es: Die Regulierung geschützter Tierarten ist ein politischer Dauerbrenner in der Bundeshauptstadt. Diverse Vorstösse nahmen bereits den Wolf aufs Korn, doch auch andere Grossraubtiere wie Luchs und Bär sorgten wiederholt für Diskussionen. Und auch Biber oder Schwan waren schon im Visier der Politik.
Mit der Revision des Jagdgesetzes will der Bundesrat den Schutz «konfliktträchtiger geschützter Arten» lockern. Eine Regulierung von Beständen soll möglich sein, wenn die Tiere trotz Präventionsmassnahmen «grossen Schaden» anrichten. Der Schutzstatus des Wolfes würde von «streng geschützt» auf «geschützt» zurückgestuft – er würde damit gleichbehandelt wie der Steinbock.
So hat der Ständerat entschieden:
- Die Beratung konnte aus Zeitgründen nicht beendet werden. Die wichtigsten Entscheide sind aber bereits gefallen.
- Der Wolf soll jagdbar werden. Die Kompetenz zur Regulierung der Bestände sollen die Kantone erhalten.
- Der Ständerat folgt dem Bundesrat: Abschüsse sollen nur bei «grossen Schäden» möglich sein. Zudem müssen vorher «zumutbare Schutzmassnahmen» versagt haben.
- Auch Luchs und Biber sollen künftig einfacher abgeschossen werden dürfen.
Die Debatte: Der Walliser Ständerat Beat Rieder (CVP) vertrat schon erfolglos die Radikallösung «Wolf. Fertig lustig!». Diese wollte die Berner Konvention neu verhandeln, der Wolf sollte ganzjährig bejagt werden können. «Wir müssen uns von der imaginären Vorstellung trennen, dass es keine Probleme zwischen Wolf und Mensch gibt, wenn wir nur genügend Schutzmassnahmen ergreifen», sagte Rieder nun im Rat. Der Wolf sei in seiner Existenz nicht gefährdet: «Sein Schutzstatus ist zu hoch.»
Werner Luginbühl (BDP/BE) erklärte die Kritik von Umweltschützern für übertrieben, die das Referendum ergreifen wollen: «Die Revision ist kein Abschussgesetz.» Die Wolfspopulation sei in den letzten Jahren stetig gewachsen, die dadurch entstandenen Probleme liessen sich nicht von der Hand weisen.
Wenn einmal der erste Wolf in Zürich auftritt, kann die Diskussion gewaltig ändern.
«Es braucht eine vernünftige Vorlage, die nicht überschiesst. Sonst ist die Gefahr gross, dass die Revision an der Urne scheitert», sagte Luginbühl. Denn nicht nur die Walliser und Bündner würden entscheiden, sondern auch die Genfer und Zürcher: «Letztere sind zahlreicher.»
Der Stadtzürcher Ruedi Noser gab sich als Vermittler: «Akzeptanz muss lokal geschaffen werden und nicht von Zürich aus.» Und wenn einmal der erste Wolf in Zürich auftrete, könne die Diskussion «gewaltig ändern».
Wenn ein Bär über den Golfplatz der Lenzerheide spaziert oder ein Wolf vor der Poststelle in Trin steht, muss das der Gesetzgeber ernst nehmen.
Der Bündner Ständerat Martin Schmid (FDP) verwahrte sich vor Klischees über schiesswütige Bergler: «Bei uns wird sehr differenziert mit dem Thema umgegangen. Wenn aber ein Bär über den Golfplatz der Lenzerheide spaziert oder ein Wolf vor der Poststelle in Trin steht, muss das der Gesetzgeber ernst nehmen.» Es handle sich nicht um ein Ausrottungsgesetz: «Das wäre auch in alpinen Gebieten nicht umsetzbar.»
Man muss kein Prophet sein, um zu behaupten, dass bald im Wallis und Graubünden kein Wolf und Bär überleben würde.
Eine linke Minderheit forderte erfolglos die Rückweisung der Vorlage an den Bundesrat. Roberto Zanetti (SP/SO) bemühte eine «alte Jägerweisheit»: «Viele Hunde sind des Hasen Tod.» Über eine erleichterte Regulierung der Wölfe sei man im Rat einig gewesen. Mit der Ausweitung auf Biber und Luchs sei die Vorlage an der Urne aber akut absturzgefährdet: «Das wäre der referendumspolitische Sargnagel für die Vorlage.»
Für Einzelfallbeurteilung durch den Bund, wie es sie heute bereits gibt, plädierte Thomas Minder (parteilos/SH). Man müsse kein Prophet sein, um zu behaupten, dass bald im Wallis und Graubünden kein Wolf und Bär überleben würde, wenn die Kantone die Kompetenz zu Abschüssen bekommen würden: «Sie würden die Tiere präventiv abknallen.»
Wir haben den Spielraum der Berner Konvention maximal ausgenutzt.
Das sagt der Bundesrat: Umweltministerin Doris Leuthard sagte einleitend, dass das Wolfsproblem in der Schweiz in total unangemessener Grössenordnung diskutiert werde. Das Zusammenleben von Wolf und Mensch müsse aber reguliert werden: «Immer dann, wenn Raubtiere zu nahe an den Menschen kommen, geht es um den Schutz der Bevölkerung.» Das sei bei Stadtfüchsen nicht anders, die nun auch erlegt würden.
Leuthard plädierte für eine Lösung mit Augenmass: «Wir erwarten, dass weiter zumutbare Schutzmassnahmen eingehalten werden.» Es gehe nicht darum, «präventiv Tiere abzuknallen. Es ist kein Abschussgesetz.» Der Bundesrat sei überzeugt, dass die Berner Konvention durch die Revision eingehalten werde: «Wir haben den Spielraum aber maximal ausgenutzt.» Der Bundesrat werde sich dafür einsetzen, weitere Staaten an Bord zu holen, um den Schutzstatus des Wolfes neu zu regeln.
Die Vorlage wird nächste Woche weiterberaten und geht dann an den Nationalrat.
Wildtiere im Visier der Politik – eine Auswahl
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Bild 1 von 9Legende: Trotz seines majestätischen Auftretens habe der Schwan an Sympathie in der Bevölkerung verloren, meinte (Ex-)Ständerat Paul Niederberger in einer Motion. Am meisten regten sich offenbar die Bauern über verkotete Wiesen am Seeufer auf. Mit der Revision des Jagdgesetzes soll die Regulierung der Bestände nun möglich werden. Keystone
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Bild 2 von 9Legende: «Denkt denn niemand an die Schafe?» Beschwerden über den Wolf sind in den Bergregionen Legion. Jetzt sucht Bundesbern nach einer nachhaltigen Lösung im Interesse des Artenschutzes – und des Tierschutzes, wie Schäfer monieren, die mitunter herbe Verluste in ihrer Herde hinnehmen müssen. Keystone
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Bild 3 von 9Legende: Er ist ein Meister der Verschleierung: Kaum ein Waldspaziergänger bekommt die grösste Raubkatze Europas jemals zu Gesicht. Obwohl der Luchs schon vor 40 Jahren wieder in der Schweiz angesiedelt wurde und es eine stabile Population gibt. JagdSchweiz hält die Bestände gar mancherorts für zu hoch – und fordert ein «nachhaltiges Management». Keystone
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Bild 4 von 9Legende: Ursina und Finn im Bärenpark Bern betreffen die politischen Entscheide ennet der Aare nicht. Für freilebende Braunbären, die Schweizer Boden betreten, könnte es aber künftig heissen: Fernhalten von Siedlungen und den Appetit auf Nutztiere zügeln. Per Verordnung kann das Jagdgesetz flexibel erweitert werden. Keystone
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Bild 5 von 9Legende: Zwar füllt der Biber ganze Spalten von launigen Vermischt-Meldungen in den Zeitungen. Doch er kann auch anders: Nicht umsonst debattierte das Parlament schon über Biberschäden an Infrastrukturen – und ob der Bund dafür zahlen soll. Keystone
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Bild 6 von 9Legende: Des Bauern bester Feind: das Wildschwein. Ein Fall von Selbstjustiz sorgte vor zwei Jahren für Schlagzeilen: Ein Aargauer Bauer hatte nachts mit dem Geländewagen vier Wildschweine auf seinem Feld überfahren. Er wurde zu einer bedingten 18-monatigen Haftstrafe verurteilt – für manchen Bauern sind viele der wahren «Täter» weiter flüchtig. Keystone
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Bild 7 von 9Legende: Dort, wo sie hingehört: auf dem Kopf einer Petrus-Statue im Vatikan. Denn bei uns hat die Mittelmeermöwe eigentlich nichts zu suchen, finden manche Tierschützer: Der «fremde Fötzel» soll das fragile Gleichgewicht im Vogelreich stören und andere Arten, etwa Flussschwalben, verdrängen. Keystone
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Bild 8 von 9Legende: Auch gegen ihn richtete sich der (regional-)politische Furor: Die Krienser SVP beschwerte sich vor drei Jahren «über unzumutbare Zustände» auf einem Friedhof. Der makabre Vorwurf: Dachse würden so lange graben, bis die Leichen sichtbar würden. Der örtliche Friedhofsverantwortliche winkte in der Lokalpresse ab: 1 Meter 50 tief grabe kein Dachs. Keystone
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Bild 9 von 9Legende: In der Schweiz starb der Fischotter im letzten Jahrhundert aus. Erstmals wieder gesichtet wurde er 2009 in Graubünden. Insgesamt konnten hierzulande bislang fünf der scheuen Jäger nachgewiesen werden – das Echo in Medien und Bevölkerung ist vornehmlich positiv. Allerdings: In Bayern etwa klagen Fischer bereits über den nimmersatten Konkurrenten. Keystone
Wolfsnachweise in der Schweiz Januar-Dezember 2017: