- Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) fordert für die Lohnrunde 2020/2021 Lohnerhöhungen von bis zu 100 Franken pro Monat.
- In Branchen und Betrieben, denen es wirtschaftlich gut geht, fordert der SGB eine Lohnerhöhung von bis zu zwei Prozent.
- Ein Corona-Krisenargument will die grösste Arbeitnehmerorganisation der Schweiz nicht gelten lassen.
Man rede zwar viel von Krise, sagte der Chefökonom des Gewerkschaftsbundes, Daniel Lampart, vor den Medien. Dabei gehe vergessen, dass es in vielen Branchen gut laufe und einige gar von der Corona-Pandemie profitiert hätten, so Lampart weiter: «Es wurde in gewissen Branchen und Betrieben viel Geld verdient: in den Banken, in Teilen der Industrie, aber auch in der Logistik.»
Geld für Lohnerhöhungen sei also vorhanden, erklärt Lampart gegenüber SRF. «Und diese braucht es, weil die Menschen in diesen Branchen sehr viel gearbeitet haben. Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Wirtschaft von einem Kaufkraftschub profitiert.» Für den Gewerkschafts-Ökonomen ist die Kaufkraft der Bevölkerung ein zentrales Argument für die Lohnforderungen.
Zudem sind die Krankenkassenprämien in den letzten Jahren viel stärker gestiegen als die Löhne. Damit kommt es zu einem Kaufkraftverlust.
Löhne hinken hinterher
In der Tat hinken die Löhne seit 2016 dem Wirtschaftswachstum hinterher. Deshalb seien jetzt, in der Krise, Lohnerhöhungen für die Binnenwirtschaft wichtiger denn je, so Lampart. Denn wer pro Monat 100 Franken mehr im Portemonnaie habe, gehe vielleicht einmal mehr in die Beiz oder kaufe sich einen neuen Pullover.
Die Arbeitgeberverbände teilen die Analyse von Lampart zwar: Nicht alle Firmen seien von der Coronakrise negativ betroffen. Und wo es gut gelaufen sei, sollten die Löhne erhöht werden, sagt der Chefökonom des Arbeitgeberverbandes, Simon Wey.
Arbeitgeberverband gegen generelle Lohnerhöhungen
Für generelle Lohnerhöhungen aber hat der Arbeitgeberverband kein Gehör. Zumal: «Man geht für 2020 von einer negativen Teuerung von bis zu einem Prozent aus. Das bedeutet für die Arbeitnehmenden eine generelle Kaufkrafterhöhung – sie können mit demselben Geld mehr kaufen», sagt Wey. «Das spielt sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmern dieses Jahr in die Hände.»
Wir stellen fest, dass die Preise im Inland wieder anziehen. Die Firmen schaffen es immer mehr, die Preise wieder zu erhöhen.
Das Argument der sinkenden Preise lässt Ökonom Lampart allerdings nicht gelten: «Die tiefe Teuerung ist zu einem grossen Teil durch den gesunkenen Ölpreis bedingt. Das heisst, es kommt im Wesentlichen aus dem Ausland. Wir stellen fest, dass die Preise im Inland wieder anziehen. Die Firmen schaffen es immer mehr, die Preise wieder zu erhöhen. Veloverkäufer zum Beispiel haben in der Krise sehr gute Geschäfte gemacht. Das heisst: Es wird mehr Geld verdient, und man kann auch etwas geben.»
Etwas geben, wo es drin liegt: Das schlägt auch Roland Goethe von Swiss Mechanic vor. Sein Verband vertritt die KMU der Maschinenindustrie. In seinem Verband seien immer noch 30 bis 50 Prozent der Betriebe in Kurzarbeit – und viele hätten keine Ahnung, wie der Rest des Jahres laufen werde, sagt Goethe.
Bonus statt Lohnerhöhung
Deshalb schlägt Swiss Mechanic etwas anderes vor: «Wir werden versuchen – wie wir das in anderen Jahren auch schon gemacht haben mit Kurzarbeit –, das mit einem Bonus-System auf Ende Jahr auszugleichen.» Vorausgesetzt, die Arbeitslage stimme. Mit anderen Worten: Zum Jahresende das verteilen, was man in diesem schwierigen Jahr vielleicht noch verteilen kann.
Wie verschieden die Ausgangslage für die Lohnrunde dieses Jahr ist, zeigen die Unterschiede in den Forderungen: Während Hotellerie, Gastro und KV Schweiz ganz auf Lohnforderungen verzichten wollen, forderten die Bankangestellten am Montag 1.8 Prozent. Sicher ist: Das Coronavirus hat auch die Lohnverhandlungen 2021 infiziert.