Im Januar urteilte das Bundesgericht im Fall der Sekundarschule St. Katharina in Wil SG: Eine reine Mädchenschule, die mit öffentlichen Geldern finanziert wird, ist verfassungswidrig.
Am Mittwoch veröffentlichte das Bundesgericht seine Urteilsbegründung. Das christlich geprägte «Kathi» verstosse gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Geschlechter sowie gegen das Gebot der konfessionellen Neutralität. Damit ist klar: Das Urteil hat auch Auswirkungen auf andere Schulen im Kanton St. Gallen.
Systemwechsel in St. Gallen und Gossau
Betroffen vom Urteil sind auch die Mädchensekundarschule in Gossau sowie die Schule Flade in der Stadt St. Gallen. «Der geschlechtergetrennte Unterricht in der Flade ist eine jahrhundertealte Tradition, die wir als beliebte und bewährte Schulform erleben, der das Bundesgericht nun einen Riegel schiebt», sagt Armin Bossart, Präsident des Administrationsrats des katholischen Konfessionsteils von St. Gallen.
Mit dem Urteil sei klar, dass sich etwas ändern müsse. Wann es an der Schule Flade gemischte Klassen mit Mädchen und Buben geben werde, kann Bossart nicht sagen. Er hofft, dass auf anderem Weg noch eine Lösung gefunden werden kann. «Wir werden prüfen, ob auf juristischer oder politischer Ebene etwas machbar ist, damit so bewährte Schulangebote doch erhalten werden kann.»
Änderung der Kantonsverfassung gefordert
Eine Motion im St. Galler Kantonsparlament fordert, dass die Kantonsverfassung dahingehend geändert wird, dass reine Mädchenklassen an öffentlichen Schulen weiter bestehen können. Die zuständige St. Galler Regierungsrätin Bettina Surber gibt sich zurückhaltend. «Die Schulen, welche nach Kantonsverfassung zulässig wären, müssten die Grundsätze der Bundesverfassung trotzdem beachten.»
Klar ist aber für die Regierungsrätin, dass die Städte nun mit den betroffenen Schulen verhandeln müssen. «Die Schulen sind Teil des Schulsystems der Städte. Sie müssen nun klären, wie die Schulen weiterhin in der Volksschule behalten werden können.»
Schülerinnen von St. Katharina dürfen Schulzeit abschliessen
Im Fall der vom Bundesgericht beurteilten Schule St. Katharina in Wil ist für die Verantwortlichen offen, wie es konkret weitergeht. Man sei bereit, auch Buben im «Kathi» aufzunehmen, sagt Stiftungsratspräsident Armin Eugster. Das sei auch Teil eines neuen Vertrages mit der Stadt Wil gewesen, den das Parlament aber im November abgelehnt hatte. «Das lässt mich zweifeln, dass wir zu einer schnellen Lösung kommen.» Die Einführung von gemischten Klassen brauche Zeit. Eugster geht von drei Jahren aus.
Die Stadt Wil führt den Vertrag mit der Schule sinngemäss weiter bis ein neuer Vertrag ausgehandelt ist. Schülerinnen, die bereits in St. Katharina in die Schule gehen, sollen dort ihren Abschluss machen dürfen, teilt die Stadt Wil mit.