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Mangel an Spenderorganen «Swisstransplant überlegt sich ein freiwilliges Register»

Was tun, wenn der staatliche Aktionsplan die Lage verschlimmert? Direktor Franz Immer spricht über Alternativen.

SRF News: Die Zeit des Aktionsplans für mehr Organtransplantationen ist bald abgelaufen. Wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis?

Franz Immer: An der Basis sind sehr viele Massnahmen getroffen und umgesetzt worden. Auf der Spitalebene wurde eine deutliche Verbesserung erreicht. Realistischerweise muss aber gesagt werden, dass wir das ambitiös gesetzte Ziel von 20 Spenden pro Million Einwohner nicht erreichen werden. Das Hauptproblem ist nach wie vor, dass sich viele Menschen keine Gedanken zur Organspende machen und ihre Willensäusserung nicht bekannt geben. Das wäre wichtig bis ins hohe Alter.

Hat der Aktionsplan zu wenig klare Akzente gesetzt?

Man hat das Problem sehr gut erkannt. Aber wir stellen fest, dass es auch mit einer neuen, sehr positiv angelegten Kampagne sehr schwierig ist, jene 50 Prozent zu erreichen, die sich nicht mit dem Sterben und der Organspende auseinandersetzen wollen.

Die Ablehnungsrate von anfänglich 40 Prozent beim Start im Jahr 2012 ist auf über 60 Prozent gestiegen.
Autor: Franz Immer Direktor Swisstransplant

Wir stellen fest, dass die Ablehnungsrate in den Spitälern von anfänglich 40 Prozent beim Start im Jahr 2012 auf mittlerweile über 60 Prozent angestiegen ist. Aber das ist mit Vorsicht zu geniessen, weil wir die Zahlen heute viel präziser erheben als noch vor vier Jahren.

Welche Argumente sind zentral für die hohe Ablehnungsrate?

Der Hauptgrund ist laut den Rückmeldungen der Intensivmediziner, dass in über der Hälfte der Gespräche die Angehörigen den Wunsch des Verstorbenen nicht kennen. Hier stellvertretend einzuwilligen im Sinne des Verstorbenen ist aufgrund der aktuellen Gesetzgebung sehr schwierig. Es lehnen aber auch Menschen ab, die sich darüber Gedanken machen, ob sie dann auch wirklich tot wären. Dazu kommen religiöse Bedenken, obwohl etwa die katholische Kirche die Organspende stark unterstützt. Oft sind es auch Angehörige, die das Gefühl haben, der Verstorbene Angehörige habe schon genug durchgemacht. Trotzdem sind 85 Prozent der Schweizer Bevölkerung bezüglich Organspende positiv oder sogar sehr positiv eingestellt.

Warum wollen sich die Menschen nicht mit dem Thema auseinandersetzen?

Es ist wohl ein Zeichen der Zeit. Es ist ein sehr unangenehmes Thema für viele, über das Sterben zu sprechen, etwa über eine Erdbestattung oder eine Kremation. Viele haben auch das Gefühl, das Leben werde mit 80 oder 90 enden. Dem ist leider nicht so.

Man ist vom Ziel – 20 Spenden pro Million Einwohner – weit entfernt. Wurde zu optimistisch geplant?

Nein. Man hat natürlich über die Grenzen geschaut und gesehen, dass es in Frankreich 27 und in Österreich 25, in Italien 24 Spender pro Million Einwohner gibt. Man hat vielleicht etwas zu stark darauf gehofft, dass sich die Menschen mehr Gedanken machen. Dem war leider nicht so. Nun wird man sich wohl überlegen müssen, ob es möglich ist, die Bevölkerung besser zu informieren und den Entscheid abzuholen.

An welche Möglichkeiten denken Sie?

Eine Modalität wäre, die Krankenkassen stärker einzubinden. Dass man sich mit jeder Prämie letztendlich äussert, ob man spenden, nicht spenden oder den Entscheid delegieren möchte. Swisstransplant überlegt sich auch ein freiwilliges Register, wo man seinen Entscheid eintragen kann.

Alle könnten sich mit der Prämie äussern, ob sie spenden, nicht spenden oder den Entscheid delegieren möchten. Auch ein freiwilliges Register ist denkbar.
Autor: Franz Immer Direktor Swisstransplant

Politisch wird sicher auch die vermutete Zustimmungslösung wieder diskutiert. Ein Modell, dass ausser Deutschland und die Schweiz alle Nachbarländer kennen. Damit wäre jeder Bürger Spender, ausser er hat sich zeitlebens dazu explizit anders geäussert. Hier ist ganz wichtig zu wissen, dass immer das Gespräch mit den Angehörigen geführt wird. Es ist also keine automatische Organspende. Es geht immer und unbedingt um den Wunsch des Verstorbenen.

Das Gespräch führte Rahel Walser.

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