Lausanne präsentiert sich gerne als Sportstadt. Doch die Infrastruktur wird dem eigenen Anspruch nicht gerecht. Das baufälligste Stadion ist das «Stade Olympique de la Pontaise» im Norden der Stadt, gebaut für die Fussballweltmeisterschaft 1954. Längst ist die Farbe an der Betontribüne abgeblättert, sind die Plastikklappstühle vom Sonnenlicht verblichen und die Absperrgitter rostig.
Nur Nostalgiker attestieren der Pontaise noch einen gewissen Charme, der sie an glorreiche Zeiten erinnere. An die 1960er-Jahre, als die Flutlichtanlage noch modern war und die Spieler von Lausanne-Sport die Könige der Nacht waren, weil sie bei Abendspielen kaum zu schlagen waren. Oder an den denkwürdigen Viertelfinal der WM 1954 zwischen der Schweiz und Österreich:
Die Schweizer verloren am Ende 5:7. Das Spiel ging als Hitzeschlacht von Lausanne in die Fussballgeschichte ein, da bei Temperaturen von über 40 Grad mehrere Spieler einen Hitzschlag erlitten und auf dem Feld herumtaumelten.
Malaise auf der Pontaise
Den heutigen Anforderungen und Ansprüchen an ein modernes Stadion entspricht die Pontaise schon lange nicht mehr. Die Tribüne ist grösstenteils ungedeckt, die Garderoben sind eng und spartanisch eingerichtet, Logen für geladene Gäste fehlen ganz.
Auch die Sicherheitsvorschriften sind schwierig umzusetzen, und der Fussballclub Lausanne-Sport darf nur mit einer Sonderbewilligung die Super-League-Partien überhaupt noch auf der Pontaise spielen.
Ganz in der Nähe soll nun ein neues Stadion entstehen: 12'000 Sitzplätze, Kunstrasen, Kostenpunkt über 75 Millionen Franken. Noch muss der Kredit vom Stadtrat genehmigt werden. Trotzdem soll das Stadion bereits im Sommer 2019 bezugsbereit sein.
Die Pontaise wird dann aber nicht etwa abgerissen, sondern noch einmal mit fünf bis zehn Millionen Franken saniert, damit das international prestigeträchtige Leichtathletik-Meeting Athletissima vorläufig noch dort ausgetragen werden kann. Dafür ist eigentlich das Stadion Coubertin am Seeufer vorgesehen. Doch auch dieses muss zuerst für weitere 30 Millionen Franken umgebaut werden. Das wird allerdings erst in rund zehn Jahren soweit sein, denn alles auf einmal geht nicht.
Der HC Lausanne weicht für Olympia
Da ist nämlich auch noch das Eishockeystadion Malley, das komplett saniert werden muss. Denn 2020 finden die Olympischen Jugendspiele in Lausanne statt, und bis dann muss die neue polysportive Anlage stehen. Neben dem umgebauten Eishockeystadion sind eine zweite Eishalle und ein gedecktes Schwimmbad vorgesehen.
Mit über 200 Millionen Franken ist es die grösste Investition der Lausanner Stadien-Planung. Darin eingerechnet ist auch eine provisorische Eishalle, in der der Lausanner Hockey Club die nächsten zwei Saisons spielen wird.
Aktionismus in der «Sporthauptstadt»?
In Lausanne sollen also insgesamt über 300 Millionen Franken in den nächsten Jahren in Sportstätten gesteckt werden. Und man wird den Eindruck nicht los, dass man zu viel Zeit verstreichen liess – und nun unter Zeitdruck notplanmässig geflickt und gebaut werden muss.
Die Lausanner sind stolz auf ihre Olympia-Hauptstadt.
Stadtrat Oscar Tosato ist Vorsteher der Sportdirektion. Er räumt ein, dass die Planung eigentlich schon vor gut zwölf Jahren begann, aber immer wieder ins Stocken geriet: «Vor gut sechs Jahren hiess es quasi zurück auf Feld eins, da wir das Projekt eines gemeinsamen Fussball- und Leichtathletikstadions mit Hallenbad am Seeufer begraben mussten. Nun befinden wir uns tatsächlich in einem Wettlauf mit der Zeit und mit obligatorischen Fristen.»
Beim Fussball- und Leichtathletikstadion sind weitere Verzögerungen mit Einsprachen und einer Volksabstimmung nicht auszuschliessen. Doch Stadtrat Tosato ist überzeugt, dass die Lausanner nach wie vor Spitzensport wollen, was mit den bestehenden Stadien in Zukunft nicht mehr möglich wäre.
Die Bevölkerung sei stolz, so Tosato, dass Lausanne Olympia-Hauptstadt sei. Und viele Lausanner profitierten direkt oder indirekt davon: «Zum Beispiel im Tourismussektor oder mit Arbeitsplätzen. Sie sind sich bewusst, dass Lausanne auch etwas bieten muss mit entsprechenden Infrastrukturen.»
Vom Konzept zum Stadion – ein langer Weg
Lausanne ist die einzige grössere Schweizer Stadt ohne modernes Stadion. Wie ein solches aussehen kann, wird in Lausanne im Moment in einer Sonderausstellung im Olympiamuseum gezeigt: «Stadien von gestern bis morgen». Bezeichnenderweise beginnt die Animation mit dem Hinweis auf den langen Prozess vom Konzept bis zum Bau eines Stadions.
In Lausanne soll nun Schluss sein mit Debattieren, Konzipieren und Modifizieren. Jetzt soll gebaut werden. Denn die bestehenden Stadien sind nicht von gestern, sondern von vorgestern.