Was ist Overtourism? Wenn so viele Touristinnen und Touristen ein Ausflugsziel ansteuern, dass die Strassen verstopft sind, sanitäre Anlagen überquellen oder Selfie-Warteschlangen vor einem Seesteg entstehen, dann nennt man das Overtourism. Es könne für die Einheimischen zu viel werden oder auch für die Touristinnen und Touristen selbst, erklärt Patrik Scherrer von der kantonalen Tourismusorganisation Made in Bern. Wann es genau zu viel werde, sei subjektiv. Dem stimmt auch Tourismusexperte Adrian Müller von der Universität Bern zu: «Wie man den Tourismus wahrnimmt, hat immer auch damit zu tun, ob man vom Tourismus profitiert oder nicht.»
Wo gibt es in der Schweiz Overtourism? Immer wieder gibt es Medienberichte über Schweizer Ausflugsziele, die von Touristinnen und Touristen überrannt werden. Betroffen sind etwa der Oeschinensee und die Giessbachfälle im Berner Oberland. Dort werden Besucherströme bewusst gelenkt, etwa mittels Ticket- oder Parkplatzreservationen. Aber Overtourism gibt es auch andernorts. «Es ist eine Tendenz, die man heute überall auf der Welt sieht», sagt Patrik Scherrer, selbst Hotelier. Zum einen, weil es immer mehr Menschen gebe. Zum anderen spielten auch Social-Media-Posts oder Serien eine Rolle, die gewisse Orte bekanntmachten.
Wann braucht es Massnahmen gegen Overtourism? Einfach hoffen, dass sich die Touristenströme selbst regulieren, sei nicht die Lösung, sagt Jürg Stettler, Tourismusexperte an der Hochschule Luzern. «Mit den Lenkungsmassnahmen versucht man, die negativen Auswirkungen von zu vielen Besucherinnen und Besuchern zu minimieren.» Ansonsten käme womöglich bald niemand mehr. Tourismusforscher Adrian Müller hingegen betont, dass unklar sei, ob jedes Drehkreuz, jede zusätzliche Gebühr, jede Reservationspflicht allein dazu diene, die Region zu entlasten. «Solche Massnahmen können auch unternehmerisch Sinn machen.» Ausserdem gebe es keine objektiven Kriterien, die für Massnahmen sprächen: «Häufig wird einfach etwas gemacht, um dem öffentlichen Druck nachzugeben.»
Kommen bald immer mehr Einschränkungen für Schweizer Ausflugsziele? «Durchaus denkbar», sagt Tourismusexperte Jürg Stettler. «Es ist davon auszugehen, dass Besucherströme bei Kapazitätsproblemen vermehrt mit Einschränkungen oder Gebühren gelenkt werden.» Patrik Scherrer von Made in Bern gibt zu bedenken, dass Lenkungsmassnahmen oftmals eine punktuelle Reaktion auf einen Hotspot seien und nicht auf dem Reissbrett geplant würden.