In ausländischen Medien hat es das knappe Ja für die SVP-Initiative «Gegen Masseneinwanderung» auf die Frontseiten geschafft. Obwohl die meisten Medien das Votum als überraschend bezeichnen, sehen sie darin keinen Sonderfall.
Entscheidung mit «Sprengkraft»
«Das Nicht-Mitglied Schweiz hat nur artikuliert, was auch viele EU-Bürger umtreibt», schreibt etwa die «Süddeutsche Zeitung». Ihr Kommentator ist überzeugt: «Liesse man Niederländer, Deutsche oder Franzosen über die Zuwanderung abstimmen, fiele das Ergebnis wohl nicht viel anders aus als in der Schweiz.»
Dass die euroskeptischen und zuwanderungskritischen Kräfte Europas am Sonntag Auftrieb erhalten haben, davon ist der britische «Guardian» überzeugt. «Der Tagesspiegel» meint: «Rechtspopulisten und Nationalisten werden den Sieg als Fanal und Ermutigung begreifen. Ihre hetzerische Saat geht auf.» Auch die «Süddeutsche Zeitung» glaubt, dass von der Schweiz ein Signal oder «Fanal» für die EU ausgehen könnte. «In Brüssel und in anderen EU-Hauptstädten wird die eidgenössische Entscheidung nun Sprengkraft entwickeln.»
Die «Westdeutsche Zeitung» findet die Beweggründe der konservativen Kräfte, die – in der Schweiz und auch in vielen EU-Ländern – vor der Flucht in die Sozialsysteme warnen, zwar unsympathisch, die Gefahr sähen sie aber richtig. Deshalb solle die Politik ausserhalb der Schweiz nun auch nicht die Nase rümpfen über «die seltsamen Eidgenossen, die mal wieder stur ihren eigenen Weg gehen wollen».
Nein zur EU
Die Schweiz erteile Brüssel eine Lektion, schreibt die BBC. Die Argumente der Initianten seien auch in vielen europäischen Ländern vertraut. Die Schweiz wende sich von der EU ab, betont auch die «Westdeutsche Zeitung» und mit «Schweizer legen sich mit der EU an» titelte die «Frankfurter Rundschau» ihren Bericht. Die belgische «La Libre» glaubt ebenfalls, dass es bei dem Votum um die Beziehungen mit der EU ging. In der EU könne es den Eindruck erwecken, Bern wolle sich alle Vorteile sichern ohne Gegenleistung. «Die Schweiz ist in Europa, ob sie will oder nicht», schreibt «La Libre».
«Die Zeit» zweifelt daran, dass es den Befürwortern tatsächlich um den «oft beschworenen Dichtestress» gegangen sei. Vielmehr habe sie die Abstimmung über die Zuwanderung zu einem Plebiszit über das Bild, das die Schweizer von ihrem Land hätten, ausgewachsen. Und dabei habe nicht der Kopf, sondern der Bauch entschieden. «Um es in den Worten einer US-Botschafterin zu sagen: <Fuck the EU>.»
Von Angst getrieben
Auch der «Spiegel» glaubt, dass es bei der Abstimmung massgeblich um das Selbstbild der Schweizer ging. Und es sei widersprüchlich. Zwar sähe sich die Schweiz als Willensnation, sie sei aber das Gegenteil. «Die deutschsprachigen Gebiete wollen nicht zu Deutschland, die Romandie nicht zu Frankreich und das Tessin nicht zu Italien. Also ist man eben Schweizer.»
Das Einzige, was die Landesteile eine, sei der Wohlstand, heisst es weiter. Die Aussicht, ihn mit anderen teilen zu müssen, wachse sich daher schnell zur Existenzangst aus, schreibt der «Spiegel» weiter. Das Argument des Dichtestresses sei nur ein politisch korrekter Ausdruck für die «Angst vor Veränderung.» Angst sieht auch die italienische «La Stampa» im Vordergrund. Die Schweiz habe ein panisches Votum abgelegt, weil sie Angst vor dem Fremden habe.
Vor unruhigen Zeiten
Fast alle Kommentatoren sehen schwierige Zeiten auf die Schweiz zukommen. «Es ist grotesk: Aus Angst vor dem ökonomischen Abstieg haben die Schweizer die Grenzen wieder hochgezogen. Sie werden womöglich teuer dafür bezahlen», schreibt der «Spiegel». Auch «Die Zeit» glaubt, dass die Schweiz für diesen «ideologischen» Entscheid, einen «riesigen» Preis bezahlen könnte. Jetzt müsse sie wenigstens bereit sein, ihn zu bezahlen, fordert «La Libre».