Als der Bundesrat 1970 als Antwort auf die rigide Schwarzenbach-Initiative Kontingente zur Begrenzung ausländischer Arbeitskräfte einführte, unterstützten ihn die Gewerkschaften unisono. Und auch verschiedene Arbeitgeber zeigten Verständnis.
Einer von ihnen war Fritz Blaser. Heute ist er pensioniert. Damals war er im Management der Chemiefirma Lonza und später Präsident des Arbeitgeberverbands: «Damals war die Mehrheit dafür, dass man diese Kontingente einführt, um gegenüber der Bevölkerung ein Zeichen zu setzen und glaubwürdig dazustehen.»
Glaubwürdig, weil man die Schweizer Ängste vor einer Überfremdung ernst genommen habe, erinnert sich Blaser. Glaubwürdig aber auch gegenüber der eigenen Basis, erzählt der 63-jährige Gewerkschafter Vasco Pedrina. Er war während Jahren Co-Präsident von Gewerkschaftsbund und Unia: «Es gab damals einen Druck seitens der Arbeitnehmer, die die Migranten als Konkurrenten empfunden haben.» Konkurrenten, die den Schweizern für weniger Lohn die Arbeit wegnahmen.
Er hat immer bekommen, was er brauchte
Doch die Kontingente brachten nicht, was man sich erhofft hatte. Die ausländische Bevölkerung wuchs leicht weiter – bis die Ölkrise Mitte der 70er Jahre die Einwanderung dämpfte. Sobald die Wirtschaft wieder florierte, nahm die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte abermals zu und stieg phasenweise auf durchschnittlich 180'000 Ausländer, die jährlich hierzulande arbeiteten.
Dass die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte durch Kontingente begrenzt war, sei für die Arbeitgeber kein Problem gewesen, erinnert sich der ehemalige Lonza-Manager Blaser: «Wir in unserer Branche haben die Leute, die wir brauchten, immer bekommen. Ob das im Rahmen der Kontingentszahl in den Hinterköpfen der Beamten entscheidend war – für mich war es das absolut nicht. Wenn ich sie gebraucht habe, hat man angefragt, und dann hat man sie auch bekommen.»
Der bürokratische Aufwand für die Unternehmen sei minimal gewesen. Häufig habe ein Telefon gereicht, und die Bewilligung für zusätzliche Arbeitnehmer aus dem Ausland sei eingetroffen. Auch Vasco Pedrina und die Gewerkschaften mussten das feststellen: «Wenn die Kontingente nicht gross genug waren, haben die Unternehmer die Leute einfach illegal geholt und die Beamten haben diese Situation toleriert.»
Saisonniers wurden behandelt wie Vieh
Der Druck auf die Löhne blieb unverändert – auf die Saläre im Gastgewerbe oder auf dem Bau beispielsweise hatten die Kontigente keinen Einfluss. Doch zu den wirklichen Sorgenkindern der Gewerkschaften wurden die sogenannten Saisonniers. Diejenigen Ausländer, die jeweils im Frühling aus Italien oder Spanien in die Schweiz kamen, um bis im Herbst auf dem Bau oder in der Landwirtschaft zu arbeiten.
«Sie kamen an die Grenze, zum Beispiel in Buchs SG. Dort mussten sie stundenlang draussen warten, in der Kälte. Wie Vieh wurden sie behandelt. Und wenn sie nicht ganz gesund waren, wurden sie nach Hause geschickt.» Die Gewerkschaften kamen unter anderem deshalb zum Schluss: Für sie war die Einführung der Kontingente im Rückblick ein Fehler.
Vorteile der Bilateralen für beide Seiten
Von da an kämpften sie für die Personenfreizügigkeit mit der EU, in der Hoffnung mit den flankierenden Massnahmen ein Instrument gegen Lohndumping zu bekommen. Und wieder waren die Arbeitgeber mit an Bord, wenn auch aus anderen Gründen, wie Fritz Blaser erzählt: «Weil letztendlich jeder sein Umfeld genau analysiert hat und gesehen hat, es kommt mir zu Gute, wenn ich die Leute relativ unkompliziert auf dem Markt finden kann, auch wenn es im Ausland ist.»
Im Mai 2000 sagte das Schweizer Stimmvolk ja zu den ersten Bilateralen Verträgen und somit Ja zur freien Personenfreizügigkeit mit der EU. Kontingente gibt es seither noch für die EU-Staaten Rumänien und Bulgarien und für Länder ausserhalb der EU.