Die Masseneinwanderungs-Initiative der SVP und die möglichen Folgen für die Schweiz werden auch in der EU höchst kontrovers diskutiert. «Das wäre ein ziemlich ernster Schritt, aber es wäre der richtige Schritt», sagt der konservative britische EU-Abgeordnete David Campbell Bannerman. Und weiter: «Vergesst die EU. Die zwingt den europäischen Bürgern zuviel auf, auch den Schweizern.»
EU-Skeptiker Bannerman stört viel an der Union, zum Beispiel die Personenfreizügigkeit. Er habe nichts gegen Leute, die in Grossbritannien arbeiten wollen, aber es gehe um die Zahlen. Um vier Millionen sei die Bevölkerung seit 1997 gewachsen, hauptsächlich wegen der Personenfreizügigkeit. Das belaste den Wohnungsmarkt, das Schulsystem und die Spitäler, so Bannerman..
Ruhig bleiben?
Er glaubt denn auch nicht, dass die EU mehrere bilaterale Abkommen kündigen und den Zugang der Schweizer Wirtschaft zum EU-Binnenmarkt kappen würde. «Da können Sie ruhig bleiben, die Schweiz ist der drittwichtigste Handelspartner der EU. Die EU will diesen Handel nicht verlieren.» Der Politiker spricht von «leerer Rhetorik» und gibt sich überzeugt, dass der Handel weitergehen wird.
Als «zu optimistisch» bezeichnet dies die bürgerliche polnische Abgeordnete Sidonia Jedrzejewska. Ein Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative der Schweiz würde nach ihren Worten nicht ohne Konsequenzen bleiben, da die EU dazu gezwungen wäre. Die Personenfreizügigkeit sei ein Teil des Pakets von fundamentalen Freiheiten, die nicht beliebig ausgewählt werden könnten.
Wer, wie die Schweiz, den Zugang zum EU-Binnenmarkt will, muss also auch die Personenfreizügigkeit akzeptieren. Fällt sie, fällt auch der Marktzugang.
«Offener Markt ist nicht umsonst zu haben»
Der baden-württembergische CDU-Abgeordnete Andreas Schwab sieht es genauso: «Die Schweizerinnen und Schweizer müssen wissen, dass sie einen offenen Markt nur haben können, wenn sie auch offene Grenzen in Europa akzeptieren.» Deswegen bleibe den politisch Verantwortlichen in Europa nur die Möglichkeit, ab Annahme dieses Referendums die Bilateralen per sofort ausser Kraft zu setzen.
Das ist schnell gesagt. In der Wirklichkeit braucht es aber einen einstimmigen Beschluss aller EU-Länder, um die Abkommen zu kündigen.
Zu wenig Freunde?
Doch dieser Beschluss käme wohl zustande, sagt Schwab. Denn der Schweiz fehlten in dieser Sache die Freunde: «Die Nachbarstaaten werden der Schweiz nur helfen, wenn die offenen Grenzen erhalten bleiben, denn alles andere interessiert sie nicht wirklich.» Die weiter entfernten europäischen Mitgliedstaaten sähen die Schweiz ohnehin schon seit geraumer Zeit als Land in der Mitte Europas, das viel profitiere und wenig beitrage.
Kommt hinzu, dass auch in der EU die Personenfreizügigkeit derzeit heiss diskutiert wird. Allerdings nicht so, wie in der Schweiz, also nicht prinzipiell. Die Personenfreizügigkeit für Erwerbstätige will derzeit kein Politiker an der Macht in Europa aufheben. Nicht einmal der britische Premier David Cameron ist so radikal wie die Masseneinwanderungs-Initiative, die die Zahl aller Ausländer kontingentieren und beschränken will, selbst jene der EU-Bürger mit Arbeit in der Schweiz.
Ein Grundprinzip steht auf dem Spiel
Laut EU-Parlamentarier Schwab liegt darin vielleicht die grösste Gefahr dieser Abstimmung. Die Idee mit der Kontingentierung sei nicht ungefährlich, weil sie auch in den EU-Mitgliedstaaten «das Fass aufmachen» würde, die grundsätzliche Freizügigkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Frage zu stellen. Auch darum muss die EU seines Erachtens reagieren, wenn die Schweiz die Personenfreizügigkeit einschränkt, weil sonst eine Grundfreiheit der EU ins Wanken geraten könnte.
(brut;snep)