Die Zuwanderung von Ausländern in die Schweiz selber steuern – dies will die SVP mit ihrer Initiative erreichen. Im ersten beratenden Rat ist das Vorhaben nicht gut angekommen: 128 Nationalräte stimmten gegen die Initiative, 49 dafür – bei zwei Enthaltungen. Die Befürworter der Initiative liessen in der Debatte keine Möglichkeit aus, ihre Argumente zu präsentieren. Gut die Hälfte der 63 Redner gehörte der SVP an.
Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats hatte die Zuwanderungsinitiative mit 18 zu 7 Stimmen zur Ablehnung empfohlen. Ja gesagt hatten nur die Vertreter der SVP. Aus Sicht der Kommission hätte ein Ja «ziemlich viel Schaden anrichten» können.
«Hilf- und konzeptlose Schweiz»
Für Initiant Hans Fehr ist die Zuwanderung «auf die Dauer nicht verkraftbar» und verantwortlich für alle Übel: die gestiegenen Mieten, verstopfte Strassen und die zunehmende Kriminalität.
CVP-Frau Ruth Humbel entgegnete, viele der genannten Probleme hätten andere Ursachen. So sei etwa der Wohnungsmangel in einzelnen Regionen darauf zurückzuführen, dass die Wohnfläche pro Person und damit der Lebensstandard in den letzten Jahren stark gestiegen sei.
Schweiz als «mittelalterliche Trotzburg»
Die Gegner der Initiative waren sich einig. Bea Heim von der SP: «Die Initiative gehört klar abgelehnt.» Noch selten seien sich so viele Organisationen, Bundesrat und sogar verschiedenste Parteien so einig gewesen. Und Martin Bäumle von den Grünliberalen sagte: «Die Initianten wollen wohl am liebsten eine dicke Mauer um die Schweiz bauen und drum herum auch noch einen breiten Wassergraben.» Es scheine, als wollten die Initianten eine mittelalterliche Trotzburg aus der Schweiz machen.
Für Martin Landolt von der BDP ist die Initiative gut, um das Problem zu thematisieren, aber: «Sie liefert keine praktikable Lösung.» Man wolle hier Dinge steuern, die gar nicht steuerbar seien. Und der Ausserrhoder Andrea Caroni (FDP) sieht das Problem eher umgekehrt und sagte etwas belustigt: «Wir haben in unserem Kanton mehr Ab- als Zuwanderung.»
Bundesrat dagegen
Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Initiative ohne Gegenvorschlag. Obwohl er anerkennt: Das schweizerische Wirtschaftswachstum und die vergleichsweise hohe Zuwanderung haben in den letzten Jahre zu einem Bevölkerungswachstum geführt.
Die Herausforderungen hätten sich insbesondere in der Integration, auf dem Wohnungsmarkt, bei der Infrastruktur- und Raumplanung und in der Bildungspolitik erhöht.
«Es ist richtig, dass unsere Infrastrukturen überlastet sind», sagte Bundesrätin Simonetta Sommaruga kurz vor der Abstimmung im Nationalrat. Das habe sicher auch mit der Einwanderung zu tun, aber nicht nur. «Die Zuwanderung ist wichtig für die Schweiz und gut, aus kulturellen und sozialen Gründen.» Die Vielfalt sei eine Stärke der Schweiz.
Doch müsse mit der Annahme der Initiative davon ausgegangen werden, dass das Freizügigkeitsabkommen mit der EU (FZA) nicht mehr weitergeführt werden könne. Die EU und ihre Mitgliedstaaten könnten eine Diskriminierung ihrer Bürger gegenüber Schweizern in diesem Bereich nicht akzeptieren.
Gravierende Konsequenzen
Eine Kündigung des FZA hätte laut Bundesrat gravierende Konsequenzen für die Schweizer Volkswirtschaft. Diese verdiene jeden zweiten Franken in der EU: Das FZA ist eines von insgesamt sieben sektoriellen Abkommen, welche als Paket zwischen der Schweiz und der EU abgeschlossen worden sind (Bilaterale I).
Bei einer Kündigung des FZA würden die von der «Guillotine-Klausel» betroffenen Abkommen automatisch hinfällig. Zudem würde das heute den Schweizer Bürgern garantierte Aufenthaltsrecht (inklusive Zugang zum Arbeitsmarkt) in allen EU- und EFTA-Staaten wegfallen.
Teure Bürokratie
Die von der Initiative geforderte Zulassungsregelung würde gemäss Bundesrat ausserdem sowohl für die Schweizerischen Arbeitgeber als auch für die Arbeitsmarkt- und Migrationsbehörden der Kantone und des Bundes zu einem erheblichen Mehraufwand führen. Ein solcher Ausbau der Bürokratie stünde im Widerspruch zu der von breiten Kreisen geforderten Vereinfachung der Verwaltungsverfahren und zum Ziel einer Zuwanderung gemäss den tatsächlichen wirtschaftlichen Bedürfnissen.
Als nächstes berät der Ständerat über die SVP-Initiative. Egal, was dabei herauskommt: Das Volk hat an der Urne das letzte Wort. Nimmt es die Initiative an, müsste die Schweiz das Personenfreizügigkeitsabkommen innerhalb von drei Jahren neu verhandeln.