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Massive Mehrkosten für neue IT-Infrastruktur der Armee
Aus Rendez-vous vom 24.11.2022. Bild: KEYSTONE/Peter Schneider
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Massive Mehrkosten im VBS IT-Projekt der Armee läuft finanziell aus dem Ruder

Die Beschaffung eines neuen Luftraum-Überwachungssystems für die Luftwaffe wird deutlich teurer als gedacht. Die Kosten steigen von 155 Millionen auf 314 Millionen Franken an. Das VBS hat deshalb eine externe Untersuchung in Auftrag gegeben.

Die Schweizer Armee braucht ein neues Luftraum-Überwachungs- und Einsatzleitsystem. 2019 hat sich das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) für das französische Angebot SkyView entschieden. Mit SkyView wird der Luftraum rund um die Uhr überwacht, hier laufen die Radardaten zusammen.

Man sieht einen Mann in Militärkleidung vor einem PC, der die Schweiz auf dem Bildschirm hat.
Legende: Ein Blick in die Einsatz- und Operationszentrale der Schweizer Luftwaffe in Dübendorf (ZH). SRF

SkyView ermöglicht, dass die Kommandanten und Luftverkehrsleiter in den Einsatzzentralen der Luftwaffe ein Bild der Luftlage haben. Wenn Kampfjets wegen eines Alarms in den Himmel aufsteigen müssen, dann wird dieser Luftpolizeieinsatz zukünftig über SkyView geleitet.

Verdoppelung innerhalb von zwei Jahren

Für den Kauf von SkyView hat das VBS im Jahr 2020 155 Millionen Franken beantragt und vom Parlament bewilligt bekommen. Jetzt zeigen Recherchen von SRF News: Es kommen nochmals 159 Millionen Franken dazu. Das ist mehr als eine Verdoppelung.

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Kein Abbruch durch das Parlament
aus HeuteMorgen vom 24.11.2022. Bild: Keystone/Marcel Bieri
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Das VBS schreibt als Begründung, das «einsatzkritische Echtzeitsystem» stelle höhere Anforderungen an die Rechenzentren des VBS als angenommen. Dadurch würden Mehrkosten in den Bereichen Netzwerk und Verschlüsselung sowie für zusätzliche Hardware in den Rechenzentren entstehen.

Einschätzung: Parlament wird wohl Zusatzkredite bewilligen

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Einschätzung von SRF -Inlandredaktor Tobias Gasser: In der Politik gibt es einen Referenzwert für ein Informatik-Desaster: das Projekt Insieme der Steuerverwaltung. Als es im Jahr 2012 gestoppt wurde, hat der Bund über 100 Millionen Franken in den Sand gesetzt.

Auch beim elektronischen Armee-Führungssystem FIS Heer kam es zu Abschreibungen von 125 Millionen Franken. In einem noch grösseren Umfang benötigt das Projekt SkyView jetzt Zusatzkredite.

Sicherheitspolitikerinnen und Finanzpolitiker von Links bis Rechts runzeln darüber die Stirn. Sie sind überrascht, dass sich die Kosten bei einem IT-Projekt innert so kurzer Zeit verdoppeln können. Aber am Schluss bleibt ihnen wohl oder übel nichts anderes übrig, als den Zusatzkrediten zuzustimmen. Dass die Luftwaffe ohne Einsatzleitsystem da steht, werden sie nicht riskieren wollen.

Aber die Politikerinnen und Politiker werden darüber streiten, ob das VBS allenfalls die Zusatzausgaben kompensieren muss oder ob die beschlossene Budgeterhöhungen für die Armee in den nächsten Jahren auch Kostenüberschreitungen bei IT-Projekten abdecken dürfen.

Technische Risiken ausgewiesen

Das VBS war sich von Anbeginn der technischen Risiken bewusst. In der Armeebotschaft 2020 beschrieb es diese. So sei noch offen, ob das neue System bei Einführung vollumfänglich auf den Rechenzentren des VBS laufe. «Die Einführung bei laufendem Betrieb ist für die Nutzerinnen und Nutzer wie für den Hersteller eine grosse Herausforderung.» Verzögerungen oder Anpassungen der Software könnten zu Mehrkosten führen, schrieb das VBS damals.  

Ist der F-35 der mögliche Grund für die Mehrkosten?

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Kritikerinnen und Kritiker der F-35-Beschaffung warnten bereits vor dem Beschaffungsentscheid vor Mehrkosten. Denn der Kampfjet der fünften Generation generiert eine Unmenge an Daten dank moderner Sensoren. Der F-35 wird auch als fliegender Datenstaubsauger bezeichnet. Damit diese Daten militärisch ausgewertet werden können, müssen sie an den Boden übertragen werden, dort in die Kommandozentralen weitergeleitet, aufbereitet und dargestellt werden. 

Das Gleiche gilt auch für das neue bodengestützte Luftabwehrsystem Patriot, das die Schweiz beschafft. Es umfasst leistungsstarke Radare. Diese Systeme brauchen in der Luft und am Boden breite Datenleitungen und viel Rechenpower. Das kostet.

SRF News wollte vom Verteidigungsdepartement wissen, ob es für die F-35- und Patriot-Integration ins SkyView-System und in die Armeeinformatik Anpassungen braucht und was diese kosten würden.

Das VBS hat diese Frage nicht beantwortet. Vor zwei Jahren hingegen schrieb das VBS in der Armeebotschaft 2020: «Es müsse möglich sein, die zu beschaffenden Kampfflugzeuge und das neue System zur bodengestützten Luftverteidigung in den Systemverbund zu integrieren». Und: «Die Kosten für diese Anpassungen können zurzeit noch nicht abschliessend berechnet werden.»

Auf eine Interpellation von SP-Nationalrat Pierre-Alain Fridez antwortete das VBS letzten Dezember, beim F-35 entstehe «keinen Mehraufwand bei der Einbettung in die IT-Systeme der Armee». 

Nun scheint genau dies eingetroffen zu sein. Nur: Die finanziellen Folgen der Risiken haben die VBS-Verantwortlichen damals massiv unterschätzt. Um diese Risiken abzudecken, war ein Risikozuschlag von 10 Millionen Franken eingeplant. Heute weiss man, dass es 16-mal teurer ist.

Das VBS beantragt deshalb in der nächsten Armeebotschaft zusätzliche 159 Millionen Franken. Davon sollen, wie das VBS gegenüber SRF News schreibt, 61 Millionen in das Luftüberwachungssystem SkyView fliessen. Daneben will das VBS aber noch 98 Millionen in neue Hardware und in den Ausbau der Rechenzentren investieren.

Externer Prüfauftrag

Letzte Woche hat das VBS die Präsidenten der sicherheitspolitischen Kommissionen von National- und Ständerat über diese Zusatzkredite informiert. Dem VBS scheint es dabei ziemlich unwohl zu sein. So hat Bundesrätin Viola Amherd bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO AG eine externe Überprüfung des Projektes in Auftrag gegeben.

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Archiv: Luftwaffe trainiert das Starten und Landen auf Feldern
Aus Schweiz aktuell vom 13.09.2022.
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Das VBS schreibt zu dem Auftrag: «Geprüft wird, ob und wenn ja, welche Fehler begangen worden sind und der Umgang mit Risiken nachvollziehbar war und allenfalls Fehler gemacht worden sind. Zudem wird untersucht, wie zukünftig ein solcher Mehrbedarf verhindert werden kann.» Versprochen wird Transparenz. Die Resultate der Untersuchung sollen veröffentlicht werden. Auch im Parlament werden die neu aufgetauchten Mehrkosten sicherlich zu reden geben.

HeuteMorgen, 24.11.2022, 06:00 Uhr

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