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Matura während Corona «Die Pandemie hat die Pläne vieler Maturanden durchkreuzt»

In diesen Tagen gibt es Zeugnisse und Diplome, beispielsweise für die Maturandinnen und Maturanden. Traditionell legen viele von ihnen jetzt ein Zwischenjahr ein, gehen reisen, absolvieren ein Praktikum oder verdienen Geld. Aber die Pandemie hat vieles verändert. Viele möchten jetzt sofort mit der Ausbildung beginnen, sagt Studienberaterin Iris Geissbühler.

Iris Geissbühler

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Iris Geissbühler ist Berufs- und Studienberaterin bei der Bildungsdirektion des Kantons Zürich.

SRF News: Was sind die wichtigsten Punkte, die sich für die Abgänger verändert haben?

Iris Geissbühler: Es ist tatsächlich so, dass sich viele Maturandinnen und Maturanden an uns gewendet und gesagt haben, dass ihre Pläne für das nächste Jahr durch die Pandemie durchkreuzt worden wären. Es sind doch immerhin etwa 80 Prozent, die ein Zwischenjahr einlegen wollen, bevor sie die eigentliche Ausbildung starten.

Maturanden möchten jetzt eher sofort mit der Ausbildung beginnen.

Geändert hat sich vor allen Dingen der Arbeitsmarkt. Es ist nicht mehr so leicht, einen Job zu bekommen, etwa im Service oder auch bei Banken und Versicherungen, was sehr beliebt ist. Die geplanten Reisen und Sprachaufenthalte sind natürlich jetzt auch nicht möglich. Insofern hat sich geändert, dass Maturandinnen und Maturanden jetzt eher sofort mit der Ausbildung beginnen möchten.

Gebäude der Uni Zürich
Legende: Die Uni Zürich habe dieses Jahr rund 15 Prozent mehr Anmeldungen für das Herbstsemester als in anderen Jahren, sagt Geissbühler. Keystone/Archiv

Was sind derzeit die grössten Probleme derjenigen, die zur Studien- und Laufbahnberatung kommen?

Ganz unvorbereitet sind ja keine Maturanden. Es gibt seit zwei Jahren für alle Kantonsschulen den Studienwahlfahrplan und sie bekommen alle anderthalb Jahre vor der Matura ein Klassengespräch. Sie wissen, wo man sich Informationen holen könnte. Das grosse Problem ist aber, dass diese Studienwahl ein Prozess ist, der jetzt unterbrochen worden ist. Das heisst, sie müssten sich jetzt eigentlich sofort entscheiden, was sie machen möchten. Und das fällt den meisten schwer, weil sie Angst davor haben, das Falsche zu wählen – obwohl das vielleicht gar nicht so Match-enscheidend ist. Denn sie wissen ja meistens schon, welche Richtung sie einschlagen möchten.

Sicher 40 Prozent haben jetzt einen beschleunigten Prozess vor sich.

Sie melden sich vor allen Dingen auch bei uns, um eine Bestätigung in ihrer Wahl zu bekommen und die Kriterien zu überprüfen, wie sie zu dieser Entscheidung gekommen sind. All die männlichen Maturanden, die in die RS müssen, haben sich ja meistens schon vorher entschieden. Aber ich würde sagen, sicher 40 Prozent haben jetzt einen beschleunigten Prozess vor sich.

Gibt es auch Menschen, die jetzt etwas mehr Mut haben, Dinge anzupacken, die sie vielleicht vorher durch dieses Jahr etwas vor sich hergeschoben hätten?

Ja, das gibt es tatsächlich. Ich kann da nur aus meinen eigenen Erfahrungen Beispiele bringen. Da war zum Beispiel jemand, der sagte sich, wenn er dieses Jahr nicht mit Jobs verbringen könne, dann werde er etwas Ungewöhnliches studieren für ein Jahr, das ihm so oder so etwas bringt. Also eigentlich studieren zur Persönlichkeitsbildung. Andere haben beschlossen, sie würden ein Praktikum machen. Nicht in diesen Gebieten, die normalerweise offen stünden, sondern zum Beispiel einen Job auf dem Bau.

Würden Sie sagen, der Druck auf die Abgänger ist höher als in früheren Jahren durch die Pandemie? Oder einfach nur anders?

Ich glaube, da müssten wir die jungen Erwachsenen selbst fragen. Für die einen ist es tatsächlich mehr Druck, andere nehmen es auch als Chance wahr.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

SRF 4 News, 2.7.2020, 6.50 Uhr ; 

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