Beeinflussen die Medien politische Abstimmungen? Die Vermutung liegt nahe – wissenschaftlich nachgewiesen war der Zusammenhang von Berichterstattung und Abstimmungsergebnis für die Schweiz bislang kaum. Forscher zeichnen jetzt ein genaueres Bild.
Im Fokus steht die Abstimmung zur Unternehmenssteuerreform II, die im Februar 2008 hauchdünn angenommen wurde. Die Vorlage wurde damals heiss diskutiert, weil sie Steuererleichterungen für Unternehmen und Steuerausfälle für die öffentliche Hand vorsah.
Kritische Zeitung, kritisches Stimmvolk
Laurent Bernhard, Politologe an der Universität Zürich, hat die Vorlage untersucht und kommt zum Schluss, dass die Medien den Stimmentscheid beeinflusst haben: «Je mehr Pro-Infos ein Stimmbürger bekam, desto eher wechselte er auf die Pro-Seite und umgekehrt.»
Vor und nach der Abstimmung wurden 1000 Stimmberechtigte befragt, wie ihre Stimmabsicht und ihr Stimmverhalten war und welche Medien sie im Vorfeld der Abstimmung konsumiert hatten. Die Zeitung «Nordwestschweiz» beispielsweise vertrat eine sehr skeptische Haltung gegenüber der Vorlage. Die hat die Stimmung in der Region geprägt: Die Kantone Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn lehnten die Vorlage ab, während auf nationaler Ebene ein knappes Ja resultierte.
Je mehr Werbung, desto häufiger berichten die Medien.
Bei anderen Vorlagen ist der gleiche Effekt jedoch nicht nachweisbar. Bernhard hat auch die Asylgesetz-Revision aus dem Jahr 2006 sowie die Einbürgerungs-Initiative der SVP aus dem Jahr 2008 untersucht. Er glaubt, der Einfluss der Medien ist umso grösser, je komplizierter eine Vorlage ist. Inhalte, die sich weit weg von den Lebensfeldern der Stimmbürger bewegen, sind schwierig zu verstehen. Die Stimmbürger haben dann Mühe, eine eigene Meinung zu bilden und schliessen sich der Meinung der Medien an.
SRF berichtet am ausgewogendsten
Eine weitere Untersuchung des Politologen Linards Udris von der Universität Zürich kommt zum Schluss, dass sich Werbung für eine Abstimmungsvorlage durchaus lohnt. «Je mehr Werbung, desto häufiger berichten die Medien.»
Dabei sei es wichtig, die Emotionen aus einer Vorlage herauszukitzeln und diese zu bewerben. «Medien greifen Emotionen auf» – vor allem Pendler- und Gratis-Zeitungen, sagt Udris. Am ausgewogensten berichtete im Übrigen Schweizer Radio und Fernsehen SRF – hier kämen alle Protagonisten zu Wort und Befürworter und Gegner gleich häufig vor.