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Medien und Meinungsbildung Bedroht das Zeitungssterben die Demokratie?

Die Luft für Zeitungen wird immer dünner. Nur die grossen werden überleben. Über die Folgen sind sich Experten uneins.

In der Schweizer Medienlandschaft beschleunigt sich der Konzentrationsprozess. Gab es vor dem 2. Weltkrieg noch 400 verschiedene Zeitungen, sind es heute noch weniger als 100.

Die jüngste Meldung eines Zusammenschlusses in der Medienbranche ist gerade einen Monat alt: Im Dezember gaben die NZZ und die AZ-Medien bekannt, sie legten ihre Regionalzeitungen zusammen. Die «Basler Zeitung» hatte bereits im August 25 Gratisanzeiger in der ganzen Schweiz übernommen. Das Fusionskarussell hat sich also auch im vergangenen Jahr kräftig gedreht.

Das ist ausschliesslich ein ökonomischer Prozess.
Autor: Vinzenz Wyss Journalistikprofessor an der ZHAW in Winterthur

Dahinter steckten vor allem finanzielle Überlegungen, sagt Vinzenz Wyss, Journalistikprofessor an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur. Weil die Einnahmen rückläufig sind, versuchten die Medienhäuser, die Kosten weiter zu senken, indem sie möglichst viele Ressourcen bündelten. «Das ist ausschliesslich ein ökonomischer Prozess.»

Gespart wird vor allem mit der Zusammenlegung von Abteilungen. Dann gibt es zum Beispiel nur noch eine einzige Personalabteilung für mehrere Zeitungen oder dieselbe Software für den ganzen Konzern. Viele Medienhäuser sparen auch, indem sie Redaktionen zusammenlegen und es beispielsweise nur noch eine Inlandredaktion oder eine Sportredaktion für alle Zeitungen des Medienhauses gibt. Das spart viel Geld.

Es gibt eine unglaubliche Vielfalt an Quellen von Informationen und Meinungen. Wir haben kein Problem mit der Vielfalt.
Autor: Andreas Häuptli Geschäftsführer des VSM

Die regionalen Redaktionen fürs lokale Geschehen bleiben dagegen erhalten, denn der Aargauer Blick auf ein Atomkraftwerk ist ein anderer als der Basler Blick. Weil die Regionalredaktionen weiterbestehen, sieht der Schweizer Verlegerverband (VSM) kein Problem in der zunehmenden Medienkonzentration.

Brustbild von auf Podium sprechenden Häuptli.
Legende: Kein Problem mit der Meinungsvielfalt sieht Andreas Häuptli vom Verlegerverband. Keystone

Stimmenvielfalt dank Internet

Ausserdem habe man heute die Möglichkeit, sofort Zweit- und Drittstimmen im Internet oder alternative Stimmen über Social Media oder Blogs einzufangen, sagt VSM-Geschäftsführer Andreas Häuptli. «Es gibt eine unglaubliche Vielfalt an Quellen von Informationen und Meinungen. Nein, wir haben kein Problem mit der Vielfalt – definitiv nicht.»

Immer mehr Online-Angebote sind allerdings nicht mehr gratis, sondern nur noch gegen Bezahlung verfügbar. Trotzdem sieht der Verlegerverband die Meinungsvielfalt nicht bedroht.

Risiko politischer Einflussnahme

Sorgen bereitet der Konzentrationsprozess dagegen dem Medienwissenschaftler Wyss. Er befürchtet, dass der Konzentrationsprozess weitergehen könnte. Als Beispiel nennt Wyss das Engagement von Ringier und Tamedia in der Unterhaltungsindustrie.

Brustbild von Wyss, der mit den Händen gestikuliert und spricht.
Legende: Warnt vor publizistischer Machtkonzentration und politischer Einflussnahme: Medienwissenschaftler Vinzenz Wyss. ZVG

Würden sich die beiden Medienhäuser dieser noch stärker zulasten publizistischer Investitionen zuwenden, «hätten wir es tatsächlich damit zu tun, dass einzelne Player sehr stark eine Meinungsmacht entwickeln. Und das können wir uns nicht wünschen.»

Zu grosse publizistische Macht in wenigen Händen eröffne zudem auch politischen Exponenten wie Christoph Blocher eine grössere Einflussnahme, warnt Wyss. Der SVP-Politiker habe durch seine Beteiligung Einfluss auf den Kurs der «Basler Zeitung». Wyss sieht daher die Rolle der Medien, den Mächtigen in Politik und Wirtschaft auf die Finger zu schauen, in Gefahr.

Mehr Schlagkraft dank Konzentration?

VSM-Geschäftsführer Häuptli findet hingegen, die privaten Anbieter seien immer noch breit genug aufgestellt. Sie könnten sich heute Dinge leisten, die früher nicht möglich gewesen wären. «Heute gibt es grosse Verbund-Recherchen wie zuletzt die Paradise- und die Panama-Papers. Das sind Formen der Zusammenarbeit, die man sich früher gar nicht vorgenommen hatte. Ich habe wenig Bedenken, dass man einen Verlust hätte.»

Auch dank der Konzentration auf weniger, aber grössere Medienhäuser gebe es noch schlagkräftige Redaktionen, stellt Häuptli fest. Der Optimismus des Verlegervertreters lässt aufhorchen, denn sonst hört man in der Branche oft Wehklagen über die düsteren Zukunftsaussichten. Auch Journalistikprofessor Wyss schätzt die Lage kritischer ein.

Klar ist, dass guter Journalismus kostet. Es bleibt für die privaten Medienhäuser eine schwierige Aufgabe, diesen auch in Zukunft zu finanzieren.

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