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Medizinische Überversorgung Das ist die Top-5-Liste unnötiger Massnahmen bei der Frauenärztin

Ob Antibiotika bei Blasenentzündungen oder häufige Krebsabstriche: Viele Behandlungen sind Expertinnen und Experten zufolge unnötig.

«Ich lasse einmal im Jahr einen Krebsabstrich vom Gebärmutterhals machen, ich finde das wichtig», sagt Vivienne P. «Wenn es möglich ist, die Kontrollen regelmässig zu machen, sollte man es regelmässig machen», findet auch Pina K. Der Tenor einiger Frauen in der Zürcher Innenstadt ist recht einhellig.

Dabei gibt es, obwohl vielfach noch durchgeführt, in der Gynäkologie einige Massnahmen und Tests, die nach Studienlage und Einschätzung von Experten oft überflüssig sind. Die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) und der Verein «Smarter Medicine» haben eine Top-5-Liste der unnötigen gynäkologischen Behandlungen erstellt.

So ist den Experten zufolge etwa der jährliche Krebsabstrich vom Gebärmutterhals unnötig. Studien würden zeigen, dass ein Abstrich alle drei Jahre ausreichend ist. Auch die standardmässige Behandlung von Blasenentzündungen mit Antibiotika ist auf der Liste gelandet. Weil die meisten dieser Entzündungen von allein abheilten und Antibiotikaresistenzen ein grosses Problem seien, sollten Frauen bei unkomplizierten Blasenentzündungen lediglich viel trinken und Entzündungshemmer wie Ibuprofen einnehmen.

Weiter auf der Liste finden sich routinemässige Hormonabklärungen bei Wechseljahrsbeschwerden, die unbegründete Behandlung von Myomen oder die Gebärmutterentfernung wegen Myomen sowie die operative Entfernung harmloser Eierstockzysten ohne akute Beschwerden. Bei den letzten beiden Massnahmen bestehe, wie bei allen Operationen, immer ein Komplikationsrisiko, heisst es.

Gynäkologin bei Untersuchung
Legende: Den Krebsabstrich im Rahmen regelmässiger gynäkologischer Kontrollen braucht es laut SGGG nur alle drei Jahre. Getty Images/Nikola Ilic

Die Schweizerische Patientenorganisation SPO begrüsst die Liste. «Solche Listen sind für Patienten und Patientinnen hilfreich als Entscheidungshilfe», betont SPO-Geschäftsführerin Susanne Gedamke gegenüber dem SRF. Die Organisation ist selber im Vorstand von «Smarter Medicine» vertreten.

Kritisch sieht Gedamke lediglich den Aspekt Kommunikation: «Nur die Liste allein reicht nicht», sagt Gedamke, es brauche eine Einbettung der Informationen und Erklärungen durch die Ärztinnen und Ärzte. Aber auch die Patientinnen seien in der Pflicht, aktiv nachzufragen. Oft fehle es noch an Verständnis, dass viele Behandlungen nicht immer mit grosser Verbesserung einhergingen.

Patientinnen sollen kritisch nachfragen

Wie aber kann es sein, dass Frauenärzte und -ärztinnen, die ja oft SGGG-Mitglieder sind, diese unnötigen Behandlungen durchführen? «Zum einen haben sich gewisse Sachen über Jahrzehnte eingespielt, zum anderen werden sie von den Patientinnen nachgefragt», bringt es SGGG-Generalsekretär Thomas Eggimann auf den Punkt. Die Liste solle dazu führen, dass solche unnötigen Routinen durchbrochen werden. Eben deshalb gebe es die Liste auch in einfacher Sprache für Laien, damit Patientinnen kritisch nachfragen können.

Zustande gekommen ist die Liste gemäss Eggimann über eine Qualitätskommission, die eine Shortlist der unnötigen Behandlungen erarbeitet hat. Überflüssige Massnahmen aus der Geburtshilfe wurden dabei aussen vor gelassen, sie werden eventuell später in einer separaten Liste erfasst. «Alle fünf Punkte auf der Liste sind durch breite Studien hinterlegt», betont Eggimann.

SRF4 News aktuell, 24.08.22, 8:30 Uhr

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