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Mehr Leistung per Mausklick St. Galler Polizei sagt Tuning-Szene den Kampf an

Die Kantonspolizei St. Gallen nimmt Ende Mai 2024 als schweizweit erstes Korps einen Leistungsprüfstand in Betrieb.

Wer heute ein Auto tunen will, muss sich die Hände nicht mehr schmutzig machen. Statt Schraubschlüssel und Winkel reichen ein Laptop und der richtige Chip. Mit wenigen Klicks hat das Auto mehr Leistung, beschleunigt besser oder fährt schneller.

«Die Tuning-Szene hat sich verändert», sagt Florian Schneider, Mediensprecher der St. Galler Kantonspolizei. «Für einen Tüftler ist es heute relativ einfach möglich, die Leistung des Autos zu steigern.»

Ein aufgeklappter Labtop auf dem Motor eines Autos, Hände eines Mechanikers.
Legende: Auch in vielen Garagen wird Chiptuning angeboten. Solange die Änderungen geprüft sind und sich im gesetzlichen Rahmen bewegen, ist Chiptuning legal. IMGAO/Filippo Carlot

Gefährlich sei dabei nicht die Leistungssteigerung an sich, erklärt Schneider. «Sondern, dass die anderen Fahrzeugkomponenten wie Bremsen oder das Fahrwerk nicht darauf ausgelegt sind.» Fährt ein Auto schneller oder hat mehr PS als vom Hersteller angedacht, könnte zum Beispiel die Bremskraft nicht mehr ausreichen – ein Sicherheitsrisiko.

Schweizweit erste Anlage dieser Art

Chiptuning erkennen war für die Polizei nicht möglich – bis jetzt. Als erstes Korps hat sich die Polizei St. Gallen einen Leistungsprüfstand angeschafft. Dort können Spezialistinnen und Spezialisten Autos auf Veränderungen in der Leistung testen.

Verkehrstechnische Fahrzeugkontrolle

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In Sachen Tuning beschränkte sich die Polizei in der Schweiz bisher auf die verkehrstechnische Fahrzeugkontrolle VTS.

Dabei werden die einzelnen Autoteile überprüft. Häufige illegale Veränderungen werden beim Auspuff vorgenommen. Der Motor soll möglichst laut sein. Auch Felgen sind laut der Kantonspolizei St. Gallen ein grosses Thema in der Tuning-Szene.

Weiter werden andere Federungen eingesetzt, Heckspoiler eingebaut oder Luftfilter verändert oder ausgebaut. All das lässt sich bei der VTS überprüfen.

Derzeit wird das Personal bei der Kantonspolizei St. Gallen im Umgang mit der Testanlage geschult. Denn: «Die Prüfung ist nicht ganz ungefährlich», sagt Florian Schneider. Schliesslich wird das Auto auf den Rollen bis zum Anschlag beschleunigt.

Eine grüne Plattform mit silbernen Rollen in einer Garage.
Legende: Auf den Rollen beschleunigt das Auto bis zum Anschlag. So kann mithilfe eines Computers die Leistung überprüft werden. ZVG/Kantonspolizei St.Gallen

«Auf dem Prüfstand wird gemessen, wie viel Leistung das Auto hat», so Schneider. Anschliessen können die Daten mit jenen der Herstellerfirma abgeglichen werden. Veränderungen in der Software können so in der Schweiz erstmals nachgewiesen werden.

Wir haben Mut bewiesen.
Autor: Florian Schneider Mediensprecher Kantonspolizei St.Gallen

170'000 Franken hat die Prüfanlage gekostet. Eigentlich wollte die Kantonspolizei St. Gallen bei der Anschaffung mit anderen Korps zusammenspannen. Mitmachen wollte aber niemand. Florian Schneider glaubt, dass das unter anderem mit den fehlenden Erfahrungswerten im Bereich Chiptuning zusammenhängt. «Wir haben Mut bewiesen und gehen jetzt in Vorleistung.»

Was ist Chiptuning?

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Beim Chiptuning geht es darum, die Leistung eines Fahrzeugs zu steigern, ohne bauliche Änderungen am Motor vorzunehmen.

Dabei wird in die Motorelektronik eingegriffen, sodass der Ladedruck der Motoraufladung und die einzuspritzende Kraftstoffmenge in den Brennraum erhöht werden. Der Effekt: die Motorleistung und das Drehmoment werden gesteigert, das Auto beschleunigt also schneller, und die Höchstgeschwindigkeit wird erhöht.

In der Schweiz ist eine Leistungssteigerung um bis zu 20 Prozent zulässig. Ist die Steigerung höher, darf diese nur vom Fahrzeughersteller vorgenommen werden oder dieser muss bestätigen, dass sich das Fahrzeug dafür eignet. Die Leistungssteigerung muss beim Kantonalen Strassenverkehrsamt gemeldet werden.

Im Juni soll der Leistungsprüfstand in Betrieb gehen. Es ist das erste Mal, dass in der Schweiz getestet werden kann, welche Autos illegal mit Chips getunt wurden. «Wir stehen unter Beobachtung», sagt Florian Schneider. Einerseits warten andere Korps gespannt auf die Erfahrungen aus St. Gallen, aber auch die Autoszene beobachtet das Ganze mit Argusaugen.

Chiptuning auch bei Familienautos

Die Kantonspolizei St. Gallen hat sich in der Tuning-Szene umgehört. Dabei wurde schnell klar: Das Chiptuning ist weit verbreitet. Nicht nur unter Tunern, sondern auch ausserhalb der Szene. «Auch die klassische Familienkutsche wird heutzutage getunt», sagt Florian Schneider.

Schneider betont ausserdem, dass die Tuning-Szene nicht das Problem sei. «Dort wollen die Fahrerinnen und Fahrer ihr Auto in einem ordentlichen Zustand halten. Die Änderungen sind meistens eingetragen und wo nötig beim Autohersteller überprüft worden.»

Ein gelber Sportwagen auf einem Parkplatz.
Legende: Ein gelber Lamborghini mit Heckspoiler. Keystone/Christian Beutler

Anders sei das bei der Auto-Poser-Szene. Jene, die mit ihrem aufgemotzten Fahrzeug an warmen Sommertagen hundertmal die Bahnhofsrunde fahren und dabei den Motor aufheulen lassen. «Das treibt die Anwohnerinnen und Anwohner in den Wahnsinn», so Schneider. Er vermutet, dass viele der Poserinnen und Poser illegale Leistungssteigerungen an ihrem Auto vornehmen. «Jetzt werden wir uns einen nach dem anderen vorknöpfen.»

Regionaljournal Ostschweiz, 14.5.24, 06.30 Uhr ; 

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