Wer heute ein Auto tunen will, muss sich die Hände nicht mehr schmutzig machen. Statt Schraubschlüssel und Winkel reichen ein Laptop und der richtige Chip. Mit wenigen Klicks hat das Auto mehr Leistung, beschleunigt besser oder fährt schneller.
«Die Tuning-Szene hat sich verändert», sagt Florian Schneider, Mediensprecher der St. Galler Kantonspolizei. «Für einen Tüftler ist es heute relativ einfach möglich, die Leistung des Autos zu steigern.»
Gefährlich sei dabei nicht die Leistungssteigerung an sich, erklärt Schneider. «Sondern, dass die anderen Fahrzeugkomponenten wie Bremsen oder das Fahrwerk nicht darauf ausgelegt sind.» Fährt ein Auto schneller oder hat mehr PS als vom Hersteller angedacht, könnte zum Beispiel die Bremskraft nicht mehr ausreichen – ein Sicherheitsrisiko.
Schweizweit erste Anlage dieser Art
Chiptuning erkennen war für die Polizei nicht möglich – bis jetzt. Als erstes Korps hat sich die Polizei St. Gallen einen Leistungsprüfstand angeschafft. Dort können Spezialistinnen und Spezialisten Autos auf Veränderungen in der Leistung testen.
Derzeit wird das Personal bei der Kantonspolizei St. Gallen im Umgang mit der Testanlage geschult. Denn: «Die Prüfung ist nicht ganz ungefährlich», sagt Florian Schneider. Schliesslich wird das Auto auf den Rollen bis zum Anschlag beschleunigt.
«Auf dem Prüfstand wird gemessen, wie viel Leistung das Auto hat», so Schneider. Anschliessen können die Daten mit jenen der Herstellerfirma abgeglichen werden. Veränderungen in der Software können so in der Schweiz erstmals nachgewiesen werden.
Wir haben Mut bewiesen.
170'000 Franken hat die Prüfanlage gekostet. Eigentlich wollte die Kantonspolizei St. Gallen bei der Anschaffung mit anderen Korps zusammenspannen. Mitmachen wollte aber niemand. Florian Schneider glaubt, dass das unter anderem mit den fehlenden Erfahrungswerten im Bereich Chiptuning zusammenhängt. «Wir haben Mut bewiesen und gehen jetzt in Vorleistung.»
Im Juni soll der Leistungsprüfstand in Betrieb gehen. Es ist das erste Mal, dass in der Schweiz getestet werden kann, welche Autos illegal mit Chips getunt wurden. «Wir stehen unter Beobachtung», sagt Florian Schneider. Einerseits warten andere Korps gespannt auf die Erfahrungen aus St. Gallen, aber auch die Autoszene beobachtet das Ganze mit Argusaugen.
Chiptuning auch bei Familienautos
Die Kantonspolizei St. Gallen hat sich in der Tuning-Szene umgehört. Dabei wurde schnell klar: Das Chiptuning ist weit verbreitet. Nicht nur unter Tunern, sondern auch ausserhalb der Szene. «Auch die klassische Familienkutsche wird heutzutage getunt», sagt Florian Schneider.
Schneider betont ausserdem, dass die Tuning-Szene nicht das Problem sei. «Dort wollen die Fahrerinnen und Fahrer ihr Auto in einem ordentlichen Zustand halten. Die Änderungen sind meistens eingetragen und wo nötig beim Autohersteller überprüft worden.»
Anders sei das bei der Auto-Poser-Szene. Jene, die mit ihrem aufgemotzten Fahrzeug an warmen Sommertagen hundertmal die Bahnhofsrunde fahren und dabei den Motor aufheulen lassen. «Das treibt die Anwohnerinnen und Anwohner in den Wahnsinn», so Schneider. Er vermutet, dass viele der Poserinnen und Poser illegale Leistungssteigerungen an ihrem Auto vornehmen. «Jetzt werden wir uns einen nach dem anderen vorknöpfen.»