Es wäre wahrscheinlich eine der grössten Amokfahrten je in der Schweiz geworden. Gemäss Staatsanwaltschaft ein terroristischer Anschlag gegen die ausländische Wohnbevölkerung, vor allem gegen Schwarze und Muslime. Auch auf Babyboomer, also Menschen mit Geburtsjahr in der Nachkriegszeit zwischen 1945 und 1964, habe der Beschuldigte es abgesehen gehabt. Das Motiv sei Fremdenhass gewesen, einen Krieg anzuzetteln, um den «Untergang der weissen Rasse» zu verhindern.
Die Staatsanwaltschaft wie auch eine externe, forensische Psychologin sehen Parallelen zu grossen Amoktaten wie beispielsweise dem fremdenfeindlichen Massenmord auf der Insel Utoya in Norwegen. Das Bezirksgericht Arbon muss nun über diesen aussergewöhnlichen Fall urteilen, die Anklage lautet auf mehrfach versuchten eventualvorsätzlichen Mord.
Die geplante Amokfahrt
Notabene am 11. September 2020, dem Jahrestag der Terroranschläge in New York, fuhr der Beschuldigte mit einem Fahrzeug los, filmte seine Fahrt mit einer Handykamera, um sie ins Internet zu stellen. Zwei 15-jährige Mädchen waren mit dem Fahrrad unterwegs, eine davon mit dunkler Hautfarbe. Dies machte sie zur ersten Zielscheibe. Er rammte sie absichtlich mit dem Fahrzeug. Sie erlitten teils schwere Verletzungen.
Ah, Scheisse man, jetzt hät’s nöd funktioniert!
Wegen eines Aufpralls mit einem parkierten Fahrzeug war das Auto des mutmasslichen Amokfahrers fahrunfähig. Daraufhin sagte er im Handyvideo: «Ah, Scheisse man, jetzt hät’s nöd funktioniert!» Kurzerhand kidnappte er das Auto einer Spitex-Fahrerin und fuhr stundenlang im Appenzellerland herum.
Auch seinen Stiefvater wollte er noch öffentlich «abstechen», weil er ihm das Leben kaputt gemacht habe, heisst es in der Anklage. Wegen Schuldgefühlen habe er dann aber niemanden mehr angefahren, sagte der angeklagte Mann vor Gericht. Die Polizei konnte ihn Stunden später festnehmen.
Die Krux mit dem Gutachten
Eine andere Psychiaterin, die sich mit dem Angeklagten intensiv auseinandergesetzt und ein Gutachten für das Gericht erstellt hatte, legte sich nicht fest. Sie stellte zwei unterschiedliche Hypothesen auf: Entweder habe der Mann aus einer Wahnvorstellung gehandelt, dann sei er nicht schuldfähig. Die zweite Variante: Der Täter leide zwar an Schizophrenie, die Tat sei aber nicht im Wahn erfolgt. Dann gäbe es klare Motive für die Tat, dann wäre er zu Einsicht und Schuld fähig.
Die Staatsanwaltschaft plädierte auf 13 Jahre Haft mit stationären, therapeutischen Massnahmen. Dies wäre eine kleine Verwahrung, bei der die Entlassung vom Behandlungserfolg abhängt. Der Verteidiger plädierte auf Freispruch, wollte für den Beschuldigten aber auch eine stationäre Massnahme anordnen lassen.
Mittlerweile fällte das Bezirksgericht Arbon ein Urteil: Es hat den Angeklagten zu 13.5 Jahren Haft verurteilt. Diese wird aufgrund der kleinen Verwahrung allerdings aufgeschoben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.